Texte
 

Yasuyuki Nakai | Open Studio 208 

Ausstellung Kumiko Kurachi  | 4. 4. – 25. 5. 1998 | Osaka | Japan
von Yasuyuki Nakai, Kustos des Otani-Gedenkmuseums, Nishinomiya

Sicherlich werden künstlerische Arbeiten von Ort und Beschaffenheit einer Ausstellung beeinflusst. Hinsichtlich dessen gibt es jedoch wenig Auseinandersetzung als über die Exponate selbst. Natürlich ist der Raum per se für die Künstler, die sich mit Installationen befassen, Arbeitsgegenstand. Eigentlich muss man darüber nicht weiter diskutieren.

Wenn Künstler jedoch an etablierten Orten wie Galerien oder auch Museen ausstellen, sollte der Raum für die Installation ein Maßstab sein. So gesehen könnte er dem Künstler unter Umständen zu einem weiteren, bis dahin unerwarteten Effekt verhelfen.

Kumiko Kurachi hat sich in ihrer Einzelausstellung mit genau diesem Punkt beschäftigt. Für mich, einen Museumsdozenten, ist Kurachis Versuch äußerst ungewöhnlich.

Als Ausstellungsort wählte sie ihre eigene Wohnung. Dort arrangierte sie ihre Arbeiten und es scheint fast so, als sei dieser Raum eine Art verlängerter Körper ihrer selbst. ObwoW Kurachi diesen Raum gut kennt, hat sie durch die sorgfältig ausgewählte Hängung ihrer Arbeiten eine Kraft erschaffen, die einem magnetischem Feld gleicht. Aber der Aufbau der Installation ist noch nicht das Finale. Ganz im Gegenteil beginnt dort Kurachis eigentlicher Dialog mit den Arbeiten. Sie beginnt ihre Arbeiten zu bewegen und wechselt Standort und Hängung ständig. Das war ihr Konzept und dieser Versuch sollte acht Wochen dauern. Es sind bereits vier Wochen vergangen.

In der ersten Woche wurden einige in Primärfarben gehaltene Arbeiten unterschiedlicher Beschaffenheit zum Teil als lebensgroße Plastiken ausgestellt. In der zweiten Woche wechselte sie zu den kleineren Arbeiten. In der dritten Woche zeichnete sie neue Arbeiten direkt auf die Wand. Und in der vierten Woche begann sie mit der Kolorierung und stellte sie außerdem ihre Bildertafeln an die Wand.

Kurachi gab all ihren Arbeiten die Möglichkeit zu einem Prozess, in dem sie eigene Geschichten mit eigenen zeitlichen Koordinaten entwickeln können .. Jede Ausstellung ist hochgradig perfekt. Und in dieser Perfektion sehen wir Kurachis Entscheidungen begründet. Für uns Betrachter besteht die Möglichkeit diesem Vorgang beizuwohnen, und wir können beobachten, wie die Künstlerin den Raum in seiner vollkommenen Gesamtheit einbezieht. Oder, anders ausgedrückt, habe ich einen Ort erlebt, in dem die Arbeiten durch Kurachis Entwicklung ihren gebührenden Wert erlangen.

Die Bilder an den Wänden sind, wie auch die plastischen Arbeiten auf dem Boden, in Weiß und in anderen Primärfarben koloriert. Diese Arbeiten könnten dem Minimalismus angehören. Jedoch besteht für Kurachi selbst kein Anlass, die Großformate des in Amerika entstandenen Minimalismus zu übernehmen. Die Größe ihrer Arbeiten liegt bei einigen zehn bis höchstens hundertundsechzig Zentimetern und erscheint in den Wohnräumen als überaus natürlich und selbstverständlich. Die Beziehungen und Dialoge, die sich hier mit dem Betrachter entfalten, können auf selber Augenhöhe stattfinden.

Kurachi lässt in ihren illusionsfreien Arbeiten die Unterkonstruktionen sichtbar. Somit kann man sie ebenfalls zum Minimalismus zählen. Die Formate der Arbeiten entsprechen unserer menschlichen Größe, und das ermöglicht uns ein eigenartig vertrautes Gefühl. Die Arbeiten behaupten ihre eigene Existenz niemals über das notwendige Maß hinaus, sondern, ganz im Gegenteil, stehen sie fast völlig für uns und sich selbst. Durch die Veröffentlichung der Arbeiten von Kumiko Kurachi habe ich erneut festgestellt, dass Wohnräume im modernen Leben homogen werden können, sobald Möbel und andere zum Leben benötigten Dinge verschwinden. Uns Betrachtern ist es tatsächlich möglich, diese Räume als selbstverständlich zu halten.

Diese Herausforderung, Wohnungen als Ausstellungsräume zu nutzen war in gewisser Weise ein suggestives Experiment. Es ist gut verständlich, warum Kurachi sich für diese Form der Arbeit entschied. Der minimalistische Ausdruck kommt an diesem Ort am deutlichsten zur Geltung. Gleichzeitig wird uns klar, dass hier eine Künstlerin arbeitet, die der Bedeutung der Präsentation auf den Grund geht, und wie groß die Schwierigkeit ist, das eigene künstlerische Schaffen darzustellen.

Als Beispiel dafür, eigene Wohnungen als Ausstellungsräume zu nutzen, kommt uns das Atelier von Mondrian in den Sinn. Mondrian arrangierte seine Quadrate in Rot, Blau und Gelb im ganzen Atelier. Sie korrespondierten mit den Arbeiten auf den Staffeleien. Es erschienen damals einige Fotografien von seinem Atelier in Zeitschriften und wurden in Ausstellungen präsentiert. Sammler, sowie Künstler, die ihn in seinem Atelier besuchten, haben diese Situation untersucht und dokumentiert.

Vielleicht ist Kurachis Versuch, Wohnungen als Ausstellungsräume zu wählen, der Intention Mondrians ähnlich. Doch das, was Mondrian in seinem Atelier probierte, war letztendlich der Versuch, alles in die zweidimensionale Welt der Leinwand zu reduzieren. Kurachi unterscheidet sich hinsichtlich dessen insofern von Mondrian, als sie ihre Arbeiten im Ausstellungsraum selbst thematisiert. In ihrer Einzelausstellung zeigt Kurachi vornehmlich skulpturale Arbeiten, die zwar die Form der Malerei annehmen, aber durch ihr Volumen auch in organischer Beziehung miteinander im Raum stehen. Das zeigt die Problematik, derer sich die Künstlerin angenommen hat. Vor einem halben Jahrhundert hat Mondrian in seinem Atelier gearbeitet. Kumiko Kurachi hat sich darüber hinaus entwickelt und diese Idee noch weiter ausgearbeitet.

Glass and Art, Nr.22, Summer 1998, Übersetzung: Heike Nowitzki
 

Eine Rauminszenierung
Helga Scholl | Raum für Kunst | Aachen | 2006

"Weiß sowohl als Schwarz sind beide undurchsichtig oder körperlich ... Weißes Wasser wird man sich nicht denken können, was rein ist, so wenig wie klare Milch. Wenn das Schwarze bloß dunkel machte, so könnte es wohl klar sein; da es aber schmutzt, so kann es solches nicht sein." Runge an Goethe.

Es hat nichts zu bedeuten, es ist nicht zur Assoziation freigegeben,
keine Projektionsfläche für Sehnsucht und Sentimentalität -
es ist die Inszenierung eines Raumes in den Farben Schwarz und Weiß.
Konstruktive Klarheit, serielle Symmetrie bestimmen das bildnerische Denken.
Asketische Kontemplation, äußerste Abstraktion ist hier Handwerk.
Diese Kunst ist Behauptung. Die Idee dahinter nichts weniger als ihre Autonomie.
Kein sichtbarer Pinselduktus stört den Purismus der feinen Inszenierung.
Ihre Bescheidenheit, ihre Zurückgenommenheit ist Disziplin und Askese.
Sie lässt einen in Ruhe und doch nicht los.
Illusion wird gehalten und zugleich zerstört.
Die Montage ist kein Geheimnis, die Logik ihrer Genese für jeden sichtbar.
Das, was man sieht, ist das, was es ist.

Bei Kumiko Kurachi gibt es keinen Gestus, der zufällig wäre, der nicht zum elementaren Formenvokabular ihres Werks gehörte; alles ist konzentriert kalkuliert und penibel austariert.

Egal was das Auge aufnimmt, es ist immer derselbe Rhythmus, der nicht aufhört, klar und einfach, gleichbleibend pulsierend, darunter, dazwischen, dahinter, an der Wand in Reih und Glied; es gibt keine Steigerung, kein Wachsen und keinen Verfall.

Es ist, wie es ist.

Die Farbe weckt in ihren stumpfen, gebrochenen Tönungen Kräfte, die von den einfachen Formen und Materialien zu reflektieren sind. Es gibt pergamentartige weiße Töne, bei denen eine Erinnerung an Malerei im Glanz der Lichtreflexe sichtbar bleibt; es gibt ein samtiges Schwarz, pures Pigment gebürstet, matt und undurchdringlich. Und: Milchglasschlieren auf Fensterglas aufgetragen: das hat etwas Sphärisches wie Wolkenverläufe am nächsten Himmel und etwas von Raffinement, wie hier im Transparenten trotzdem das Außen bewusst ausgespart wird, um es sogleich umso bewusster im Innern wahrnehmen zu lassen. So bleibt konstant der Eindruck, dass es ein Davor oder Dahinter, ein Innen und ein Außen, und immer noch Himmel und Erde gibt. Kurachi lenkt unsere Konzentration, sie inszeniert die Atmosphäre eines Kunstraums, in der das, was wir über den Raum für Kunst zu kennen scheinen, seine Gültigkeit verliert. Es ist eine fast sakrale Würde, die von dieser Kargheit ausgeht und in pathetischer Ruhe aufgeht. Sie lässt der Einbildungskraft keine Zuflucht. Sie ist präzise und pur. Suprematistisch und absolut. Das schwarze Quadrat im Zitat. Kunst ist Konzept, sie ist nicht Sein.*1  Weiß ist nicht eine Zwischenfarbe anderer Farben. Weiß hebt nach und nach alle Gegensätze auf. Schwarz ist dage­ gen eine, keine oder hunderttausend Farben in einer. Wittgenstein bemerkt, dass im Farbkreis beide herausfallen. Schon weil sich Schwarz und Weiß mit allen andern Farben mischen; besonders auch: beide mit ihrem Gegenpol.*2  Alles ist darin und gleichzeitig nichts: die Dichotomie von Unendlichkeit und Horizont, von Kunst und Alltag, Sakralem und Profanem, von Theater und Leben, von Rätsel und Klarheit.

Kumiko Kurachi spielt mit Farben und Formen, die nur auf sich selbst verweisen, doch ihre Kompositionen bergen eine inszenatorische Kraft, die fast etwas Theatralisches in sich trägt. So wird in einem qroßformatiqen Rahmen der Blick auf ein Theater, auf ein anderes Theater, freigegeben. Der Blick in die Kulisse bleibt für sie und für uns immer offen. Der Rahmen ist ein Rahmen für die Welt außerhalb des Kunstraums und kann bisweilen aus purem Zufall wie ein Blick in eine Szenerie von Hopper erscheinen.

Im Innern ein elegantes Spiel mit den baulichen Gegebenheiten des Raums für Kunst. Kurachi reflektiert seine Eigenarten und lotet die baulichen Extravaganzen aus. Sie holt die Fenster in den Raum, indem sie ihnen Volumen gibt und ihre Proportionen als geometrische Körper in den Raum stellt. Trotz ihrer Ruhe und stillen Größe stehen alle Arbeiten unter einer Spannung, halten den Betrachter in Bewegung, sind nicht monolithisch zu begreifen, sondern eher skulpturales Ereignis denn vereinzelte Objekte. Die Stelen wachsen aus ihrem kapriziösen Fensternischendasein in den Raum hinein, souverän und frei, kühn positioniert, als skulpturale Ursubstanz und physikalisches Spannungsfeld den Raum gleichermaßen einnehmend. Mit der gleichen Intensität, mit der sie aufeinander bezogen sind, ist hier Kontraktion und Expansion gleichzeitig zu spüren, als wären die gegensätzlichen Kräfte gebündelt und komprimiert am Werk. Zwischen den Fensterelementen, einer architektonischen Laune ohne eigentliche Funktionalität, und den sie reflektierenden Stelen entsteht ein Dialog und ein Dazwischen. Das Dazwischen spannt einen anderen, immateriellen Raum auf, der von diesen Elementen markiert wird und sie zu einem Ganzen fügt, in dem sich die schlichte Poesie der Inszenierung entfalten kann.

Kumiko Kurachi hat den Raum zur wandelbaren Form gemacht und zugleich mit dieser Verwandlung ein in sich geschlossenes Raumbild geschaffen. Der Raum für Kunst bleibt ganz er selbst und doch auch sich und dem Betrachter unerwartet unvertraut und ist damit anders wahrzunehmen.

*1  Kumiko Kurachi 2005
*2  Ludwig Wittgenstein: Bemerkungen über die Farben, 1979, S. 61

Helga Scholl, 2006
 

Interview | Michael Glowski und Wita Noack sprechen mit Kumiko Kurachi

Gedanken und Ideen bauen

Kumiko Kurachi: Meine Familie ist sehr westlich gewesen. Wir hatten einen Garten mit Rasen und in den Zimmern gab es Teppiche und Sessel. Wir hatten keine Tatami.

Wita Noack: Ein schöner Anfang ist das. Deine japanische Familie ist also sehr westlich orientiert?

Kumiko Kurachi: Mein Vater hat von Europa und Amerika geträumt. Er war nie dort - aber er hat davon geträumt.

Wita Noack: Und du hast den Traum deines Vaters verwirklicht und bist schließlich (über Amerika) nach Deutschland gekommen.

Kumiko Kurachi: Ich weiß nicht, ob er wirklich davon geträumt hat. Er dachte an Besichtigungsreisen, hatte aber Befürchtungen, allein und ohne Sprachkenntnisse ins Ausland zu gehen.

Wita Noack: Was bedeutet eigentlich der Name "Kumiko"?

Kumiko Kurachi: Kumiko heißt:

Wita Noack: Diese Zeichen stehen für "Kumiko"?

Kumiko Kurachi: Ja, das heißt "Unendlichkeit". "Eternity". Und das ist Schönheit. Ein normaler Frauenname in meiner Generation ist zum Beispiel Keiko, Mariko, alles -ko. Kein Mann heißt Kumiko.

Wita Noack: Also Kumiko steht für: Unendlichkeit und Schönheit?

Kumiko Kurachi: Das ist zu viel, aber so bin ich genannt worden von meinen Eltern. In meiner Generation gab es viele Kumikos. Es ist ein ganz normaler Name, wie Gabriele oder Helga in Deutschland. Viele schreiben Kumiko als Landschaft oder glückliches Geschenk.

Wita Noack: Die Ausstellung ist jetzt aufgebaut. Bist du zufrieden mit der Ausstellung? Hast du dir das so vorgestellt?

Kumiko Kurachi: Ja aber, das Schwierige war, das es nur drei Räume sind. Viele Künstler nehmen ihre alten Arbeiten einfach mit. Ich wollte etwas Neues schaffen und etwas Farbe benutzen, - aber trotzdem sollte es ruhig und theoretisch sein. Für mich ist das etwas Neues und so war es schwer, die Ausstellung zu entwickeln.

Wita Noack: Worin lag die Schwierigkeit?

Kumiko Kurachi: Diese Fensterinstallation habe ich schon paar Mal gemacht. Aber sie muß für jeden Ort neu entworfen werde. Die Idee wird so weiterentwickelt.

Michael Glowski: Was hat dich beschäftigt? Der geringe Raum? Waren die Räume zu klar oder zu stark?

Kumiko Kurachi: Die Ausstellungsräume vom Mies van der Rohe Haus wirken sehr stark. Diese Fensterinstallation ist eine Antwort. Es wird eine Frage gestellt und es kommt eine Antwort und man kann es nicht ändern. Vielleicht kann man die schwarze Fläche noch besser streichen. Aber sonst kann man es nicht ändern. Das ist eine Antwort. Auf die Frage nach der Kunst im Allgemeinen. Es kann eine Frage sein oder auch nicht. Und der Himmel ist jeden Tag anders. Wenn man es anders ausstellt, sieht man eine andere Landschaft, ein anderes Licht und das ist dann auch eine andere Antwort. Deshalb war es sehr schwer die Arbeiten zusammenzustellen.

Wita Noack: Noch mal einen Schritt zurück. Worin lag denn nun eigentlich die besondere Schwierigkeit für dich im Umgang mit dem speziellen Raum von Haus Lemke? Hast du mit den Proportionen gekämpft? Mit der Stärke vom Haus? Wo war das Problem? Meine Frage zielte ja am Anfang auf deine Vorstellung. Du hast dir die Ausstellung ja ausgedacht? Und jetzt ist das Ergebnis da! Bist du mit dem Ergebnis zufrieden?

Kumiko Kurachi: Ja! Ich habe schon im Sommer angefangen, erst mit Modellen noch in kleinen Proportionen. Ich habe zuerst die Edition gemacht und mit diesem Raum (ehem. Wohnzimmer) begonnen. Die erste Arbeit, die ich für die Ausstellung gemacht habe, ist die dreiteilige Arbeit bestehend aus einem schwarzen Quadrat, einem weißen Quadrat und einer Zeichnung auf der Wand. Das war die Nummer Eins. Das hatte ich schon im Sommer fertig.

Wita Noack: Und die dreiteilige rote Rauminstallation ist eine Reaktion auf die drei Quadrate?

Kumiko Kurachi: Im Atelier hat einmal ein Kollege zu mir gesagt, dass diese Arbeit ihn an "ein und drei Stühle" von Joseph Kosuth erinnert. Diese Arbeit kann auch nicht weiter gehen, das war sehr schwer und ich habe das geschafft, und das ist jetzt etwas anderes; mehr eine Skulptur und viel konstruktiver. Alle Teile sind in derselben Farbe.

Wita Noack: Wenn wir gerade bei dieser Arbeit sind, wie heißt sie? Hat sie einen Namen?

Kumiko Kurachi: Die Arbeiten der Ausstellung haben keinen Titel (ohne Titel), denn die Ausstellung heißt ja: "Auf die Frage".

Wita Noack: Du hast ja früher, so scheint mir, nicht mit so viel Farbe gearbeitet. Durch dieses intensive Rot einiger Arbeiten der Ausstellung oder dieses Lilablaugrau in der Halle hat die Ausstellung für deine Verhältnisse ja viel Farbe. War das eine Antwort auf die Stärke der Architektur?

Kumiko Kurachi: Ja, ich habe früher viel Farbe benutzt, aber seit 2005 habe ich öffentlich, also in Ausstellungen, keine Farbe benutzt. Aber ich habe geträumt, dass ich wieder Farbe benutzen sollte ...

Wita Noack: Hat es mit dem Ort zu tun?

Kumiko Kurachi: Es war noch Sommer und ich habe dieses Blaugrau als erstes gemacht. Einfach so. Es sollte eigentlich noch grauer werden.

Wita Noack: Aber das ist ja etwas fröhliches, optimistisches, dass du plötzlich so mit der Farbe anfingst.

Kumiko Kurachi: Nicht so plötzlich. Ich habe die Farbe zurückgeholt. Also nicht nur Schwarz und Weiß. Aber man muss vorsichtig sein. Man hätte diese Arbeit auch in Schwarz machen können.

Wita Noack: Man kann bei dieser Arbeit mit diesem intensiven Rot-Ton doch nicht sagen, dass du vorsichtig warst!

Michael Glowski: Ich fand sehr interessant, dass diese Arbeit (schwarzes Quadrat, weißes Obiekt, Bleistift-Quadrat) der Anfang, die Ausgangsbasis war. Wir können sozusagen nicht weiter zurück als dahin. Ich habe das so verstanden, dass diese erste Arbeit schwarz, weiß, und die Bleistiftzeichnung wie ein Nullpunkt war. Kann man dennoch weiter zurück? Ist das möglich?

Kumiko Kurachi: Ob ich weiter zurück kann?

Wita Noack: Ob man noch strenger, noch reduzierter werden könnte?

Michael Glowski: Noch mehr Konzept?

Kumiko Kurachi: Ich denke schon.

Wita Noack: Was wäre das dann beispielsweise?

Kumiko Kurachi: Das schwarze Quadrat von Kasimir Malewitsch ist ja schon langweilig.

Wita Noack: Danach würde ich jetzt gern fragen.

Kumiko Kurachi: Ich will nicht so sein.

Wita Noack: Das heißt, dein schwarzes Quadrat in der Ausstellung hat mit Malewitsch nichts zu tun?

Kumiko Kurachi: Er konnte nicht weitergehen, weil es so perfekt ist. Ich will aber weiter arbeiten. Das Schwarz muss reden, sich bewegen und sich ändern. Das Weiß muss das auch. Alle Formen, alle Farben bewegen sich, sie ändern sich und führen miteinander einen Dialog. Die zwei rot-weißen Objekte sprechen miteinander, aber kommt ein anderes dazu, ändert sich die Bedeutung. So etwas möchte ich machen. Für mich ist alles Malerei! Ich bin nie Bildhauerin gewesen. Meine Ideen kommen immer von der Malerei. Ich habe als Teenager sehr viel gemalt und wollte Kunst studieren. Ich bin dann auf eine Kunstuniversität gegangen und damals Ende der 1970er war die Conceptual Art und Minimalismus so einflussreich aus Amerika. Damals fand ich das interessant und leider konnte ich nicht weitermalen.

Wita Noack: Als du Mitte und Ende der 1990er Jahre über ein Künstleraustauschprogramm als Artist in Residence in New York lebtest, haben Dich, wie Du mir einmal erzähltest, die drei Künstler Joseph Beuys, Blinky Palermo, und Imi Knoebel sehr beeindruckt. Kannst du dazu etwas sagen?

Kumiko Kurachi: Es gab eine Gruppenausstellung in Chelsea. Damals kannte ich nur Joseph Beuys. Ich war sehr begeistert von ihm und wurde stark beeinflusst. Am meisten aber von Palermo. Von Imi Knoebel war ich auch begeistert, aber später in Deutschland war ich eher tief enttäuscht von ihm, da ich dann zuviel gesehen hatte. Ich habe eine große Sympathie für Palermo gehabt, es war kein Einfluss. Das ist ein Unterschied.

Wita Noack: Du sagst ja immer, du fühltest Dich als Japanerin sehr von der westlichen Moderne angezogen. Ich aber finde, dass deine Arbeiten sehr japanisch sind.

Kumiko Kurachi: Wegen des Materials? 

Wita Noack: Aufgrund deines gesamten künsrlerischen Ansatzes.

Kumiko Kurachi: Könnte sein ... vielleicht.

Wita Noack: Die Rahmenarbeiten haben viel mit japanischer Architektur zu tun?

Kumiko Kurachi: Weiß ich nicht. Aber ich bin sehr überrascht, dass in Deutschland individualistische Gedanken von der Theorie ganz getrennt werden. Wir müssen Gedanken und Ideen bauen.

Wita Noack: Dich interessiert dieses technisch perfektionistische in der Kunst nicht?

Kumiko Kurachi: Wenn es perfekt wäre, würde man es besser verstehen. Daran habe ich sehr lange gelitten. Viele Leute sagen, wenn wir es aus Metall machen würden. Aber dieses Material entspricht nicht meiner Idee. Ich wollte auch Objekte aus Aluminium machen.

Wita Noack: Wir haben uns ja gestern beim Ausstellungsaufbau lange über die Fensterinstallation, speziell über deine Malerei der schwarzen Fläche unterhalten. Ich habe von dir wissen wollen warum die schwarze Fläche nicht perfekter gestrichen war. Nun ich verstehe dich jetzt. Es hat bei dir mit dieser Lebendigkeit zu tun, die du deinen Arbeiten gern verleihen willst.

Michael Glowski: Vielleicht auch mit Einfachheit. Die Form ist einfach. Die Perfektion in der Herstellung und Umsetzung ist nicht wichtig ...

Kumiko Kurachi: Aber doch ...

Michael Glowski: All die Leute, die vorschlagen, die Arbeiten eher in Aluminium oder in Stahl zu fertigen, meinen, dass es dann besser wird. Aber wird es tatsächlich besser?

Wita Noack: Nein, dann verliert sich ja die Lebendigkeit.

Michael Glowski: Eben, es wird nicht besser.

Wita Noack: Das kann man eben auch gut an den Oberflächen der roten Obiekte nachvollziehen. Es sind lebendig angestrichene Flächen, die leben. Aber es ist keine Attitüde drin. Eine andere Frage: Wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen, die Edition für die Ausstellung "Für Mies van der Rohe" zu nennen? 

Kumiko Kurachi: Die Architektur von Mies ist sehr reduziert und ejnfach - das heißt, nicht zu kompliziert. Mies hat offensichtlich sehr über die Proportionen nach gedacht.

Wita Noack: Es ist eigentlich nicht einfach - wenn man viel nachdenkt.

Kumiko Kurachi: Diese Edition war auch nicht einfach, ich habe sehr viel nachgedacht. Das ist eine Hommage für Mies van der Rohe!

Wita Noack: Und hast du dich von den quadratischen Fensterflächen inspirieren lassen?

Kumiko Kurachi: Ja, auch im Schlafzimmer. Da habe ich auch die Fenster ausgemessen.

Michael Glowski: Und auch hier im Wohnzimmer entspricht das gezeichnete Quadrat den quadratischen Fensterfeldern.

Kumiko Kurachi: Das Quadrat ist so simpel, aber gleichzeitig so schwer.

Wita Noack: Dein schwarzes Quadrat kommt also nicht von Malewitsch?

Kumiko Kurachi: Ja, es ist keine Malewitsch-Rezeption. Ich war letztes Jahr an einer Gruppenausstellung beteiligt und in einem Artikel darüber stand, dass mein Quadrat keine Erinnerung an Malewitsch darstellt. Darüber habe ich mich sehr gefreut.

Wita Noack: Ich habe darüber nachgedacht, was deine Arbeiten so faszinierend macht. Du bist Jemand, der die Dinge immer wieder neu denkt. Es gibt keine Gewissheiten, auf denen du aufbaust. Das du einen Gedanken durchspielst, und ihn immer wieder variierst. Bei dir ist jedes einzelne Ding neugedacht und immer wieder neu erkämpft. Und wenn es dann da ist, wird es immer wieder neu betrachtet.

Kumiko Kurachi: Vielmehr denke ich immer wieder gleich. Ich mache immer wieder das Gleiche. Es sieht zwar neu aus, aber es ist das Gleiche. Kombiniert mit älteren Arbeiten schaffe ich neue Bedeutungen. Wie in einer Installation, bei der das "Wie" der Ausstellung die Bedeutung vorgibt.

Michael Glowski: Woher kommt die Sicherheit, dass es immer wieder das Gleiche ist? Man schreibt Geschichten, schafft Narration aus einer Angst heraus. Aus der Angst, dass die Dinge nicht so sind wie sie sich darstellen. Wir laden die Dinge immer wieder neu auf. Woher kommt der Gedanke, dass alles immer gleich ist? 

Kumiko Kurachi: Ich frage immer wieder nach der Kunst. Was ist sie?

Michael Glowski: Kunst muss das Unendliche sein.

Kumiko Kurachi: Kunst muss formen, weil Kunst Konzept ist. Dennoch muss man das Konzept zeigen und darstellen.

Michael Glowski: Ihre Arbeit ist das Aufzeigen des Konzepts und die Methode ist von sekundärer Bedeutung, ob gezeichnet oder gemalt.

Kumiko Kurachi: Das Wichtigste ist, dass Kunst formt. Dabei ist es unwichtig, ob man eine Fläche anstreicht oder einen Rahmen baut.

Michael Glowski: Wie ist das Verhältnis zum Betrachter, der mit einer Frage der Arbeit entgegentritt.

Kumiko Kurachi: Die Frage ist in meinem Kopf. Die Frage, was ist Kunst? Der Zuschauer tritt hinzu, aber ich rechne nicht mit ihm.

Michael Glowski: Meine Frage bezieht sich auf das Schwarze Quadrat von Malewitsch, welches erstmals in einem Bühnenentwurf auftauchte, und ich finde es interessant, dass er es in einem Kulissenraum mit Zuschauern verwendete. Kumiko befindet sich in einem gedanklichen Dialog mit der Kunst. Mit der Frage nach der Kunst. Einen Zuschauer zu haben ist in der Moderne sehr wichtig.

Kumiko Kurachi: Aber ich träume immer noch davon eine Malerin zu sein. Es war sehr wichtig in meiner Teenagerzeit. Ich habe viel gemalt, Menschen und Landschaften. Und diese Freiheit, wie mit etwa 20, möchte ich wieder erlangen.

Wita Noack: Du warst damals freier?

Kumiko Kurachi: Ich hatte so viele Einflüsse aus der konzeptuellen Kunst, aber ich konnte nicht weitergehen. Ich habe jetzt geträumt von einem fröhlichen und freien Arbeiten. Mondrian hatte eine Lösung gefunden, er konnte immer weitergehen und hat niemals letzte Bilder gemalt. Ich beneide ihn deshalb. Ich bin jetzt an diesem Punkt, an dem ich nicht weiß, was ich mit den Kisten machen soll.

Michael Glowski und Wita Noack sprechen mit Kumiko Kurachi
 

Mies van der Rohe Haus | Berlin | 4. 12. 2011 | Kumiko Kurachi: "Auf die Frage"
Einführung der Ausstellung | Ausstellungskatalogtext

Was denn Kunst sei... | Hans M. Schmidt

Seit Beginn der Moderne und heute insbesondere hat Kunst viele Gesichter - abgesehen davon natürlich, dass es stets gute und auch schlechte Kunst gibt – und so besteht allenfalls nur noch rudimentär ein gesellschaftlicher Konsens darüber, was Kunst sein könnte. Aber, wie wir alle wissen, wächst mit der Gefahr das Rettende auch.

Überdies ist Kunst immer eine Gratwanderung zwischen Behauptung und Zweifel. Graduell unterschiedlich gilt das für Künstler/Künstlerinnen und Publikum.

Mit ihrer Ausstellung "Auf die Frage" macht nun die japanische Malerin Kumiko Kurachi ein eigenwilliges und provokantes Angebot, das unsererseits

Fragen und wohl auch Antworten verlangt. Wie sie sich mit dieser Ausstellung der Herausforderung durch die Architektur von Mies van der Rohe hier im wunderbaren Haus Lemke gestellt hat, so ernsthaft sollten nach Möglichkeit auch die Betrachter der Ausstellung begegnen.

In den Arbeiten des ersten Raumes, des ehemaligen Wohn- und Speisezimmers, wo man beim Hineinkommen durch das wandgroße Terrassenfenster die weite Öffnung zur Parklandschaft am Obersee erlebt, trifft man auf drei unterschiedliche, im Miteinander komplexe Gruppen von Arbeiten von Kumiko Kurachi. Wie alle übrigen Exponate der Ausstellung sind diese für die Gegebenheit und Situation der betreffenden Räume konzipiert, nehmen Maßbezüge aus der Architektur auf.

In leuchtendem Karminrot, monochrom (es ist das offene, materialiter nicht wirklich fassbare Pigment) sieht man eine dreiteilige Skulptur, bestehend aus einer freistehenden quaderartigen Stele (87 x 29 x 29 cm), einem in der Größe entsprechenden rechtwinkligen Element, an die angrenzende Wand gelehnt (was die plastisch-räumliche Wirkung verdeutlicht), und etwas versetzt dazu – wie aus der Wand hervorkommend – eine Würfelform (29 x 29 x 29 cm). Die drei minimalistischen Elemente (Holzlatten mit Papier bespannt) sind in der Anordnung und in den Maßen klar aufeinander bezogen. Sie suggerieren einen prozessualen Zusammenhang.

Auch die dreiteilige Wandarbeit, rechts daneben, will prozessual im Miteinander der drei Elemente gesehen werden: des mittleren schwarzen Quadrats, quasi ein Relief im Verhältnis zu dem doppelt so großen weißen Bild, rechts daneben, und links davon als ein Basis-Element die Fläche umgrenzt von der Bleistiftlinie, von der dreifachen Größe des Quadrats. Die Dreiteiligkeit dieser beiden Arbeiten, die man einerseits in Beziehung setzen darf zur maßgeblichen Dreiteiligkeit der beiden großen Fensterflächen, hier und im angrenzenden Gang, wie überhaupt die Dreiteiligkeit der Ausstellung insgesamt, mag als eine Art Grundakkord verstanden sein.

Zugleich ergibt sich so eine grundsätzliche Gegenüberstellung von körperhafter und flächiger Erscheinungsweise , bei der zweiten Arbeit wie gestuft.

Die Farbe Rot, kontrastiert mit Weiß, in die Gegenfarbe eingelassen oder diese umschließend, in spannungsvoller Gewichtung, bestimmt die zwei aufeinander bezogenen, gleichsam dialogisch aufgefassten Gemälde rechts und links der Tür zum Gang.

Das prozessual veranlagte Bildgeschehen bei Kumiko Kurachi wird auch durch die Arbeit oder sagen wir besser: Arbeiten in der lichtvollen Verbindungsgalerie unterstrichen. Auch hier wieder ein absichtsvoller Dreiklang. Ausgehend von einem schwarzen Wandbild, das zugleich die Wand als Projektionsfläche unseres Bilddenkens betont, folgt im selben Format (100 x 150 cm) eine weiße Bildfläche, die pure Wand, umschlossen von einem weißen Rahmen. An seiner Innenseite ist der Rahmen grau und verbindet sich mit dem möglichen Schatten. Im nächsten Schritt schließt sich formatgleich ein blau-graues Bild (Acryl/Holz) an, in der Helligkeit ein deutlicher Mittelwert. Wie ein Scharnier und eine lichtbrücke fassen die drei monochromen Bildflächen die Ausstellung zusammen, worin der mittlere Teil der hellste ist, und der hintere Raum (das ehemalige Schlafzimmer) schließt sich als ein gedämpfter, dunklerer Bereich mit der Fensterinstallation an. Wenn man so will, kann die Wandarbeit, nicht allein wegen des aufgelegten BilderrahfTlens, als Hinleitung zu der großen Fensterinstallation gelten. Betont einerseits die Monochromie das statische Moment, so unterstreicht die prozessuale Verknüpfung die innere Dynamik, ein wichtiges Prinzip dieser Ausstellung.

Derartige Fensterinstallationen, die Kumiko Kurachi seit einer Reihe von Jahren realisiert, sind mehr als eine schlichte Fensterformen-Tautologie. Sie sind in mancher Hinsicht für sie paradigmatisch und thematisieren - im allerdings divergierenden Maßbezug auf das Fenster und zugleich als künstlerisch eigenwertig dank entschiedener Umformung - natürlich den Hell-Dunkel-Kontrast, das Licht und die Dunkelheit, die Spannung von Drinnen und Draußen und unterstreichen die Transparenz der Architektur. Gleichermaßen wird mit der Funktion des offenen Rahmens und verstärkt durch die schwarze (geschlossene) Begleitform die elementare Rolle des Bildes als eines Fensters - für die Ikonen gibt es den Begriff "Fenster zur Ewigkeit" - verdeutlicht.

Allein schon die Tatsache der engen Aneinanderfügung, die die schwarze Fläche nur wie ein Appendix und teilweise überstrahlt von dem licht des Fensters, also nicht als malerisch selbständige Bildfläche erscheinen lässt, macht die vorrangige Wirkung des lichtes deutlich. Dennoch wie ein Zwillingspaar gehören licht und Dunkelheit, Tag und Nacht (von der es bei Pythagoras heißt: sie sei der Schatten der Erde) zusammen. Was dann auch viele Schwarz /Weiß-Konstellationen, gleichwohl ohne banalen Weltbezug, anklingen lassen.

Alle ihre Arbeiten sind von einer ausgesprochenen handwerklichen Präzision, die nichts aus dem Arbeitsprozess mitteilt, folglich auch keinen Pinselduktus oder gar eine Art "peinture". Der völlig gleichmäßige, matte Farbauftrag unterstreicht die Stille und die Konzentration, die von den Arbeiten ausgeht. Ihre Malerei stützt sich auf Pigmente und Acrylfarben, bei den schwarzen Gemälden in Elfenbein-Schwarz, und meist in 4-5 Schichten übereinander. Das leuchtende Rot (als Europäer denkt man dabei gerne an das Rot mit dem Symbol der aufgehenden Sonne in der japanischen Flagge) ist aus drei verschiedenen Rot gemischt, mit etwas Gelb. Das Grau (kein totes Grau, eher vom Charakter des Morgennebels) ist eine Summe aus Blau, Rot, Schwarz und Weiß. Und schließlich ist für die Farben wichtig - sowohl für Schwarz, Weiß und Grau - dass sie eine gewisse Transparenz behalten.

Gerne benutzt Kumiko Kurachi auch Gouachefarben aus Japan wie z. B. in der für diese Ausstellung aufgelegten Edition (44 x 70 cm), die, weil nicht im Druck vervielfältigt, aus Unikaten besteht, mit dem aktuellen Titel einer Hommage "Für Mies van der Rohe". Das im Eingangsbereich gezeigte Blatt in Rot - es gibt weitere in den Farben Grau und Schwarz, die schließlich auch in der Ausstellung dominant sind, demonstrieren die schlichte und stimmige Ausgewogenheit der Proportionen der elementaren quadratischen Farbformen . Die Edition ist m. E. als prägnantes Beispiel ihrer Kunst wirklich empfehlenswert.

Die Arbeit von Kumiko Kurachi, die schon einige Jahre bevor sie 2000 nach Deutschland übersiedelte, ihren radikalen Weg eingeschlagen hatte, hat in diesem streng-einfachen, minimalistischen Habitus einige wichtige Wurzeln, sei es in US-amerikanischer oder auch deutscher Kunst.

So kam es schon Ende der 70er Jahre in Kyoto für sie zu einer Auseinandersetzung mit der analytischen Seite der concept art wie Joseph Kosuth (Jg. 1945) - mit bis heute anhaltender Wirkung. Analog zu Kosuth und zur Gruppe "Art & Language" negiert sie alles Emotionale in der Kunst, die für sie vor allem Konzept ist, und behauptet: "Das Wesen der Kunst ist nichts anderes als die Gedanken über diese Kunst. *1

In den USA folgten Erfahrungen aus Werken von Barnett Newman (1905 - 1970) und Walter De Maria (Jg. 1935). Sie reiste eigens zum "Lightning Field" von De Maria in die Mojave-Wüste. Ebenfalls in den USA begegnete ihr dann Ende der 80er Jahre die Arbeit von Blinky Palermo (1943 - 1977), die ein große Ausstrahlung für sie hatte. "Weil jede Arbeit eine Frage ist." Gerade in diesem Moment liegt ein ausschlaggebendes Kontinuum ihres Schaffens. Allerdings im Gegensatz zu dem amerikanischen Maler Ad Reinhardt (1913 -1967), in seinen "black paintings" permanent auf der Suche nach dem letzten, dem endgültigen Bild, gilt für die japanische Malerin die unentwegte Fortsetzung, die "Arbeit ohne Ende". Aber in einem entscheidenden Punkt stimmt sie doch mit Reinhardt überein, der apodiktisch die (seit dem späten 19. Jahrhundert als "I'art pour I'art" bekqnnte) Auffassung vertrat: "Kunst ist Kunst - und alles Andere ist alles Andere".

Etwa auf die Frage nach politischer Wirkung von Kunst meinte sie, dann müsse man vielleicht Zeitungsartikel schreiben, wenn man das wolle. Weil Kunst eben nicht das rechte Mittel sei. Doch kehren wir nach dem kunsthistorischen Exkurs zur Ausstellung selbst zurück. Die Räume dieses Hauses von Mies van der Rohe sind in ihrer Klarheit, Präzision der Materialien und der prägnant einfachen Formen sowie in der Sicherheit der Proportionen, aber auch in der Verteilung und Gewichtung der Licht- und Schattenzonen, kurz: in dieser bemerkenswerten Transparenz wie eine ideale Membrane für die auf ihre Weise wahlverwandten Arbeiten von Kumiko Kurachi, die ihre Form- und Tonqualitäten, bildhaft gesprochen, zum Schwingen bringen. 

Wir wissen, dass es Kunst gibt, die über die zugrunde liegenden Konzepte glücklicherweise hinausreicht. Und gerade das bei aller rationalen Strenge starke, lebendig sinnliche Moment im Schaffen von Kumiko Kurachi scheint mir ein wesentlicher Faktor dafür zu sein. Wo sensibel abgestimmte Farb-, Licht- und Transparenzwerte, wie in ihrer Arbeit eine Rolle spielen, da stellt sich eine wunderbare Beziehung zu der Architektur von Ludwig Mies van der Rohe ein - mit ihrem Ziegelstein und I-förmigen Träger als letzte "Dinge an sich", wohinter immer auch die Fülle eines "Urbildes" aufscheint. Seine unbedingte Klarheit und ihr elementares, fragendes Bildkonzept treffen glücklich zusammen.

Man könnte hier nun verschiedene Reflexionen über den West/Ost - bzw. Ost/West-Kulturtransfer anstellen (z.B. aus westlicher Sicht nur die Beispiele des Japonismus im späten 19. Jahrhundert oder die nach 1945 und bis heute anhaltende ZEN-Begeisterung), zumal gerade in diesem Jahr - wir hörten dazu schon Einiges - der 150 Jahre deutschjapanischer Beziehungen gedacht wird, wozu kontextuell auch diese Ausstellung noch gehört.

Bei der Vielzahl der schönen Autos aus Fernost auf unseren Straßen schauen wir vielleicht schon gar nicht mehr genau hin. Wer es aber dennoch tut und einen Blick dafür hat, wird trotz aller nüchternen Gesetze von Funktion und Ökonomie im Design etwas bemerken, etwa eine andere Linienführung und Proportionierung oder ein divergentes Materialverständnis, das einen Unterschied zum gewohnten Bild deutscher Wagen ausmacht. Glücklicherweise verschleifen sich im Zuge der allgemeinen Globalisierung nicht alle Differenzen, die schließlich auch zum Reichtum dieser Erde gehören. Die Erhaltung der Artenvielfalt sollte wie im Naturbereich auch kulturell erstrebenswert bleiben.

Ohne romantische Überhöhung darf man bei Kumiko Kurachi, wenngleich schon früh durch ihr Elternhaus westlich geprägt, auch genuine Züge japanischen ästhetischen Empfindens verspüren und erkennen. Wer die wunderbaren Tempel etwa in Kyoto mit ihren Steingärten besuchen konnte, wird wissen, was ich meine.

"Lob des Schattens" heißt der 1933 von Tanizaki zur Verteidigung des japanischen Ästhetizismus publizierte Essay, eine ganz entschiedene I' art pour I'art - Haltung. Darin wird der Schatten als nicht allein im Hausbau wichtiger Grundton behandelt. Wer z. B. die Aufnahmen des berühmten Fotografen Hiroshi Sugimoto bewundert, wird wissen, welche Rolle Schatten, ja Fast-Dunkelheiten, auch in seinem Schaffen spielen. Im Gegensatz etwa zur europäischen Architektur, in der es primär um den Schutz vor unangenehmer Witterung geht - ansonsten sind Fenster seit dem 1 8. Jahrhundert weit zur Landschaft hin geöffnet, was Mies van der Rohe auf seine Weise unterstreicht - gilt in Japan das Prinzip der Abschirmung gegenüber dem Sonnenlicht. Mag dies auch sehr dezent durch herrliche Holzschiebetüren, mit Reispapier bespannt, geschehen.

Abgesehen von gewissen Texten der Mystik kennen wir im Abendland - doch vielleicht erst seit Malewitschs "Schwarzem Quadrat" und dessen vielfältigen Folgen - kaum das Bild von der erfüllten Leere. Vereinzelt taucht es auf wie in Gottfried Benns Gedicht "Nur zwei Dinge", das schließt: "es gibt nur zwei Dinge: die Leere / und das gezeichnete Ich".

Eine beliebte ZEN- Parabel vom "Büffel und seinem Hirten" endet auf die Frage nach dem höchsten Sinn der Heiligen Wahrheit: "Offene Weite - nichts Heiliges". Und das zugehörige Bild (um 1150) zeigt einen großen leeren Kreis. *2

Das kann gewiss nur eine sehr allgemeine kulturelle Grundierung für Kurachis Schaffen bedeuten; man mag bei der Frage nach ihrem Kunstverständnis solche Spuren nicht verkennen, aber vor allem auch nicht überbewerten. Die späte westliche Moderne der 60er und 70er Jahre bot, zumal im Bereich der minimal art, in dieser Hinsicht zweifellos manche produktiven Kontaktmomente.

Als bleibendes Ziel ihrer Arbeit nennt sie die beharrliche Bemühung um die Frage "Was ist Kunst?" und die damit verbundene Theorie. Schließlich war sie vor mehr als einem Jahrzehnt nach Deutschland gekommen, weil hier die Kunst "philosophischer" sei.

Doch zum substantiellen Kern einer solchen Ausstellung gehören schließlich - nach all dem, was gesagt wurde - die Stringenz der gezeigten Arbeiten und die Stringenz ihrer Präsentation auf der einen und die Intensität und Erlebnisfähigkeit auf der anderen Seite.

Nur in der eigenen mentalen Verortung und Verantwortung des in der Ausstellung umher gehenden Betrachters, der die einzelnen Energie- und Bezugsfelder erfährt und sich den Arbeiten in ihrem offenen Spektrum interaktiven Fragens nach dem Was, Wie, Wozu oder in welchen Relationen usw. stellt, erschließt sich der mögliche Prozess des Weiter- und Anders-Sehens und -Denkens. Denn anscheinend im Wandelbaren allein - das vermittelt diese Ausstellung - liegt, so paradox es klingen mag, die Möglichkeit der Identität.

Von Franz Kafka gibt es die äußerst knappe Parabel "Die Bäume" *3 : "Denn wir sind wie Baumstämme im Schnee. Scheinbar liegen sie glatt auf, und mit kleinem Anstoß sollte man sie wegschieben können. Nein, das kann man nicht, denn sie sind fest mit dem Boden verbunden. Aber sieh, sogar das ist nur scheinbar."


*1  Aus einem Text der Künstlerin .Über meine Kunst·, v. 04.05.2008
*2  Kat. ZEN und die Kultur Japans, Klosteralltag in Kyoto, Staarl. Museen zu Berlin, Museum für Völkerkunde Berlin, herausgegeben von Claudius Müller, Berlin 1993, S.40, Abb. S.45
*3  F. Kafka, Erzählungen, Hrsg. v. Max Brod, Berlin 1935, S. Fischer 1986, S.35 

Ausstellungskatalogtext | Hans M. Schmidt | Berlin | 2011
 

Kumiko Kurachi | Über meine Kunst

Künstlergespräch | Sonntag | 04 | Mai | 2008
Verein für aktuelle Kunst/Ruhrgebiet e.V. | Oberhausen

Ich bin sehr spät nach Deutschland gekommen. Lange Zeit arbeitete ich in Japan und währenddessen hatte ich einige Male Gelegenheit, in Amerika zu arbeiten. In Amerika bekam ich die Kunst der europäischen Künstler zu sehen, die in Japan nicht besonders bekannt waren. Die deutschen Künstler schienen auf einer philosophischeren Basis zu arbeiten, was mir gut gefiel. Seit dieser Zeit hegte ich den Wunsch, in Deutschland künstlerisch zu arbeiten.  

Heute möchte ich Ihnen meine künstlerische Position erklären. Es ist nicht leicht, meine Arbeit zu erläutern. Ich werde viel mehr über Probleme wie Räumlichkeit, Farben und das künstlerische Konzept reden.

Mein Ausdruck „Kunst ist Konzept“ kommt nicht aus einem Buch, sondern ist meine eigene These, die ich durch meine eigenen Arbeiten begründete.

Während ich arbeitete, versuchte ich alles, was nicht dem Wesen der Kunst entsprach, auszulassen. Beispielsweise Emotionen wie Freude und Traurigkeit, und ebenfalls narrative Elemente.

Das Wesen der Kunst hängt von den Gedanken der Menschen ab. 

Ludwig Wittgenstein hat diesen Umstand in seiner Philosophie erforscht. Er war der Meinung, dass man nur das sähe, was man wisse.

Hier kann ich als ein Beispiel auf das Hase-Ente-Bild von Wittgenstein hinweisen.

Ich muss sagen, dass es mir immer schwer fällt, über meine Arbeit zu reden.

Meine Arbeit bringt nichts zum Ausdruck. Sie wirft Fragen auf, zeigt und verlangt jedoch keine

Antworten. Sie stellt allein den Betrachtern und sich selbst Fragen.

Diese Arbeiten von Fenstern drücken nichts aus. Und auf die Frage, warum ich sie dann herstelle, kann ich sagen, weil ich dem Denken einen Ausdruck verleihen möchte. Ein weiteres Ziel ist, dass sich auch die Betrachter Gedanken machen und Fragen stellen.

Meine Arbeiten verlangen von den Sehenden mitzudenken.

Sie haben nichts mit den Emotionen zu tun und sie fordern auch nicht dieselben Gedanken zu haben. Das Einzige, was meine Arbeiten von den Betrachtern verlangen, ist, dass sie eigenständig darüber nachdenken, was diese Arbeiten sind.

Ich, als die Schaffende, habe weder das Interesse, noch die Absicht, etwas, das im Allgemeinen bekannt ist, visuell zum Ausdruck zu bringen. Vielmehr arbeitete ich an dem, was ich selbst nicht ergreifen kann, um dadurch auf etwas Neues kommen zu können.  

Das sind die Fragen nach Räumlichkeit, den Farben, der Zeit, dem Dasein, der Welt, der Entfernung, der Konstruktion, dem Gleichgewicht, der Ewigkeit und die Fragen, was Kunst ist, oder nicht ist ...

Meine Arbeiten geben zwar kleine Antworten, jedoch keine Schlussfolgerungen, und sie haben auch nichts mit dem Zweck und Ziel zu tun.

Wie das Hase-Ente-Bild von Wittgenstein. Wenn man es für einen Hasen hält, ist es ein Hase, und wenn man es für eine Ente hält, ist es eine Ente. Die Kunst ist nach meiner Auffassung genau so. Ob Hase oder Ente, beides ist richtig. Wie man sie sieht und wie man diese Kunst nennt, hängt davon ab, wie die Schaffenden und die Sehenden sie erfassen.

Das Wesen der Kunst ist nichts anderes als die Gedanken über diese Kunst.

Das Erleben eines Werkes hängt davon ab, welche Idee jemand über Kunst hat, wobei es jedoch unmöglich ist, etwas gemeinsam zu erleben. Kunst ist ein phänomenologisches Erlebnis aufgrund der sprachlichen Erkenntnis.

Ein Bild ist zwar ein Objekt und liegt dort, doch die Freiheit und die Unendlichkeit der Bilder gehen über sein Objektsein hinaus. Man kann es nicht erklären. Man kann das Konzept des Bildes nur durch seine eigene Sprache verstehen. Und das ist es, was das Wesen der Kunst ausmacht.

Bitte schauen Sie meine Arbeit mit dieser Einstellung zur Kunst an.

Wir sehen draußen eine Landschaft mit einem einrahmenden Fenster. Ich bin immer mit Fragen beschäftigt. Vergleichen Sie die schwarze Leinwand mit den Rahmen, der sie begrenzt.

Seit einigen Jahren arbeite ich vorwiegend mit Schwarz und Weiß. Die weiße Farbe trage ich mehrmals auf und anschließend poliere ich die Oberfläche. Sie wird dann wie Gips. Obwohl sie an sich fest ist, hat sie etwas Weiches. Sie reflektiert das Licht, aber sie nimmt es auch in sich auf. Diese Beschaffenheit sagt mir zu. So verwende ich diese Technik fast immer dort, wo es weiß werden soll. Für Schwarz verwende ich Pigmente. Das Licht verschwindet in den dunklen Partikeln. Wenn man alle Farben miteinander mischt, wird daraus schwarz.

Für mich sind die Farben nicht nur die Farben, sondern sie sind auch Substanzen. Dieses Gefühl habe ich besonders bei Schwarz und Weiß.

Für die letzte Arbeit in der Halle verwendete ich ein helleres Rot, eine Acrylfarbe.

Meiner Auffassung nach zeigen Schwarz und Weiß ihre Materialität sehr ausgeprägt. Man kann meine Bilder nicht als Gemälde, sondern als Objekte begreifen.

Ich habe zwar nicht beschlossen, ausschließlich Schwarz und Weiß zu verwenden, doch ich beabsichtige, die Farben durch das Erfassen ihrer Eigenschaften und ihrer Begriffe zu benutzen.

Wir haben gelernt, dass Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo und Purpur die Farben eines Regenbogens sind. Nach dem Regen können wir ab und zu einen Regenbogen am Himmel sehen. Die feuchte Luft, die durch den Regen entstand, wird zu einer Leinwand, die das Sonnenlicht projiziert, und dort erscheint die Projektion der Lichtfarben ohne ein zusätzliches Material benutzen zu müssen. Die Farbe Grün wird auch ohne einen Baum mit Blättern und die Farbe Orange wird auch ohne eine Frucht zu sein, sichtbar. Farben sind an sich schon Farben, und sie benötigen nichts Weiteres. Meiner Meinung nach beruht das Wesen der Farben nicht auf ihrer Substanz, sondern auf der unsichtbaren Luft.

Weiß und Schwarz gehören nicht zu den Regenbogenfarben. In Japan nennt man die frühen Morgenstunden bei der Dämmerung den weißen Morgen. Und wenn es immer dunkler wird und die Nacht kommt, nennt man das Finsternis (Schwarz). Wenn Schwarz und Weiß ohne Farben erscheinen, ist die ganze Welt vom Weißen verhüllt, was aber nicht bedeutet, dass allein die sichtbaren Strahlen weiß wären. Wenn man sagt, der Morgen sei weiß, dann heißt das, dass es durch das Sonnenlicht heller sein wird. Weiß ist in Wirklichkeit ein transparentes Licht. Als Farbe jedoch hat das Weiß keine Substanz.

Genau so verhält es sich mit Schwarz. Wenn kein Licht scheint, sehen wir nichts. Das nennen wir Finsternis oder Schwarz. Auch dort existiert keine Farbe durch Sonnenlicht. Das Dunkel verhüllt die Welt. Es ist unvorstellbar, dass schwarzes Licht nur an einer bestimmten Stelle scheint.

Hier habe ich meine Auffassung über die Farben erläutert. Ich habe auch Lust, mit den Farben zu arbeiten. Ich muss sie anders behandeln als Schwarz und Weiß. Auch möchte ich den Farben die Frage stellen, welche Daseinsform sie als Farbe hätten. Es interessiert mich nicht, die Farben nach der Natur, oder als Augenweide zu benutzen.

Die Arbeiten in dem letzten Teil der Ausstellungshalle sind vor einigen Jahren entstanden. Für diese Arbeiten habe ich rote Farbe benutzt, die so hell wie möglich sein sollte: Ein Bild mit einer roten Oberfläche. Diese Oberfläche versucht, in ihrer eigenen Form, Malerei zu sein. Sie ist ein Viereck mit einem Volumen. Dazu habe ich auch trübe Farben, wie Rot, Blau, Gelb und Weiß verwendet.

Die Farbe ist auf der Oberfläche, doch wir wissen schon lange, dass wir auf den Oberflächen zeichnen oder kolorieren und selbst den Himmel und das Meer in unendlichen Möglichkeiten grenzenlos bemalen können.

In einem Bild von Kasper Davit Friedrich ist die Frau vor sich her schauend in ihrer Rückenansicht zu sehen. Der Maler hat ihre Blickrichtung, den Innenraum, die Wand, die das Innere von dem Äußeren des Hauses trennt, das Fenster und die Landschaft gemalt. Das zeigt, dass man auf der Oberfläche eines Gemäldes viele unterschiedliche Entfernungen malen kann. Die Oberfläche ist nicht eindeutig.

Das Format dieser Arbeiten habe ich von den Maßen meines Fensters vom Atelier übertragen, in dem ich damals gearbeitet habe. Wenn ich hier, in Oberhausen in der Halle vor den Arbeiten stehe, sehe ich bei gutem Wetter die rote Farbe in der Luft schweben. Das Oberlicht spiegelt sich auf der roten Oberfläche wider.

Wir schlagen Nägel in die Wand und hängen Bilder.

Vor der Hängung liegen die Bilder auf dem Boden. Das liegende Bild ist ein Objekt. Aber wenn das Bild an der Wand hängt, verlangt es von dem Betrachter, dass er darin, nach seinem eigenen Begriffsfeld, eine Erscheinung liest. Und auch ändert ein hängendes Bild die Bedeutung des Raumes. Der Raum wird zu dem Raum, in dem das Bild hängt. Und auch die Bedeutung des Bildes ändert sich je nach dem, wie es platziert oder gehängt ist.

Damit fängt die Installation an.

Ich werde gefragt, ob meine Arbeit Installation sei, und ob die ganze Installation ein einziges Werk sein solle. Wahrscheinlich helfen meine vorherigen Erläuterungen, diese Frage zu beantworten. Ich kann hier als ein Beispiel die Arbeit von Günter Umberg anführen und fragen, ob seine Installation an sich eine Arbeit ist, oder eher aus einzelnen Stücken besteht. Ein Stück hängt ziemlich niedrig und das andere darüber auf normaler Augenhöhe. 

Diese Arbeiten auf den trapezförmigen Stützen sind von gewisser Tiefe, deren angestrichene Oberfläche groß und kräftig erscheint. Andere Stücke wiederum sind direkt an die Wand geklebt, so dass die Oberfläche nicht von der Wand vorsteht.

Der Betrachter kommt von allein dazu, diese Arbeiten miteinander zu vergleichen. Das hier hängt tief, das andere höher, dies hier ist eine Farbfläche auf der Wand und das dort hat die Form von Malerei. Das andere hat Volumen und ist ein Objekt. Dieses hier ist groß, weil das andere klein ist. Doch das dort ist viel kleiner, u.s.w. Es geht endlos. Die meisten Arbeiten sind mit schwarzem Pigment gemalt. Während man sich damit beschäftigt, den Unterschied der Hängung in den verschiedenen Höhen und das Volumen und die Größen der Arbeiten herauszufinden, ist man schon an die Schwelle der absoluten Frage „was ist das?“ gelangt.

Man kann diese gesamte Installation als eine Arbeit betrachten. Der Künstler könnte in einem anderen Raum eine ganz andere Installation realisieren. Dort werden dann erneut Fragen entstehen.

Ein einziges Stück kann natürlich eine Arbeit darstellen. Sie ist jedoch kein vollendetes, absolutes, anzuschauendes Objekt. Es wird mit dem Raum, in dem es sich befindet, kommunizieren.

Blinky Palermo hat eine farbige Linie in Höhe des Ausstellungsraumes gezogen. Ich glaube, dass er versucht hat, den ganzen Raum zu erfassen. Denn eine einzelne Arbeit kann den ganzen Ausstellungsraum beeinflussen. Wenn ich das Foto dieses Künstlers, der mit einem Farbeimer auf die extrem hohe Leiter geklettert ist, sehe, spüre ich seine körperliche Leidenschaft. Es ist die Leidenschaft, die durch seinen starken Wunsch, den ganzen Raum zu erfassen, entstanden ist.

Ich komme jetzt wieder darauf zurück, über meine Arbeit zu sprechen. Es geht um „Dialog“, eine serielle Arbeit aus zehn Bildern. 

Meistens arbeite ich gleichzeitig an mehreren Stücken, mit denen ich die Arbeiten vergleichen und aneinander abwägen kann. 

Das Format der Bilder entnahm ich der Grösse des Fensters der Ausstellungshalle VfaK. Vom Atelier aus konnte ich diese Fenster der Halle nicht sehen, und ihre Figur und Räumlichkeit existierte nur in meiner Vorstellung. Ich habe die Form der Fenster und Räumlichkeit in der Halle während der Arbeit ständig im Kopf gehabt. In diesem weiträumigen Raum wollte ich große Dialoge zustande bringen. Durch die Fenster können wir die weite Ferne betrachten, und die Fensterrahmen begrenzen unser Blickfeld. Es existiert ein schwarzes Bild. Es stellt sich die Frage, ob man das Bild als Malerei oder als Skulptur betrachtet. Oder ist es eine Landschaft? Der Holzsockel hat natürlich nur die Funktion, es höher zu halten. Skulpturen müssen nicht immer auf dem Boden liegen. Sie können, wie Malerei, höher stehen. Auch die Malerei ist ein Objekt. Die Linie auf dem Weiss ist für die Entstehung der Form des Holzsockels da.

Der Titel dieser Arbeit „Dialog“ bedeutet nicht nur den Dialog der Arbeiten mit dem Betrachter, sondern auch der zwischen der Künstlerin und den Arbeiten, sowie der der Arbeiten miteinander. Und zudem setzt sich der Dialog mit dem Raum und weiter, mit der Landschaft fort.

Während die Dialoge vor sich gehen, setzen sich die Arbeiten in Bewegung und versuchen sich, nach Balance und Unendlichkeit sehnend, zu strukturieren. Sie ziehen sich höher oder ziehen sich zurück, indem sie sich übereinander legen. Ich, die Schaffende, spüre, wie mich die Arbeiten im Atelier bewegen und wie sie ihre richtige Form untersuchen lassen. Jedes Stück Arbeit macht daraus eine kleine Antwort. Ich erwarte, dass aus diesen kleinen Antworten neue Fragen entstehen.

Zum Schluss möchte ich über meine Arbeiten aus Plexiglas sprechen. Wie Sie schon gesehen haben, verwende ich es viel mehr als einen herausgeschnittenen Raum und als ein Material, das durchsichtig ist. Ich kenne kein anderes Material, das ich so behandeln kann. Es ist transparent aber schwer. Ich denke oft, dass die Luft eigentlich schwer sein müsste, wenn wir sie ergreifen könnten.  

Kumiko Kurachi | Künstlergespräch | Oberhausen | 2008
 

Kumiko Kurachi | Notizen über meine Arbeiten

Das weiße Viereck

Prolog

Es ist bestimmt in den 80er Jahren gewesen.

In der Ausstellung in einem weißen Museum, das einem Aquarium glich, standen die Arbeiten, jeweils nur mit einem Datum versehen, nebeneinander gereiht. Die Buchstaben und Zahlen waren auf dem monochromen Hintergrund in Kobaltblau und gebrannter Sienna gemalt und von regelmäßigen, weißen Wänden umgeben.

Wenn man von Weitem hinsah, erschienen die handgeschriebenen, gothischen Buchstaben ganz klar. Doch näherte man sich, verflossen sie wie Tage auf einem Kalender. Übereinandergelagerte Zeiten, hier aufgeschichtet und wie Schritte auf dem weißen Marmorboden verhallend: Die Zeit, in der man so malte, die Zeit, in der man die gemalten Arbeiten hatte, und das, was ich besaß, eine Zeit, die Gegenwart war. Und dann die Zeit, die meine Vergangenheit war.

Meine Zeit vergeht augenblicklich und verfolgt eine andere, flieβende Zeit, die von irgendwer passiert wird.

In einem Park hier, der bei der Expo in den 70er Jahren entstand, verstreuten sich die Menschen im Sonnenlicht und ich ging ohne Hut spazieren. Das helle Licht drang ins Auge.

Es ist nicht nur eine Zeit. Die Schichten des Alltages werden nun abgetrennt. Als ich hinein ging, musste ich mit den Augen blinzeln und vernahm den modrigen Geruch von abgestandener Luft. In dieser weißen Box ist es zeitlos.

Ein Datum, das man heute zeichnet, wird sofort Vergangenheit und kommt niemals mehr zurück.

Trotzdem werden sich die die überlagerten Zeiten unbemerkt an die Ewigkeit annähern.

Ich werde also an der Seite der Ewigkeit vorbeilaufen.

Als wäre die Ewigkeit etwas, an dem man vorbeilaufen könnte.

In den 70er Jahren.

Ich beschäftigte mich jeden Tag mit Zeichnungen. Es gab viele langweilige Motive wie Feldflaschen, Makrelenfilets, Zementblöcke, Konservendosen, Tassen, oder Essgeschirr. Wir arbeiteten mit den naheliegenden Dingen. Wenn es keine Gegenstände mehr gab, die ich zeichnen konnte, zeichnete ich das, was ich bereits zeichnete, abermals. Beim Einlassungsexamen für die Kunstakademie war es vor allem die Aufgabe, diese banalen Dinge zu zeichnen. Weil aber die eigentlichen Objekte nicht interessant waren, habe ich nur das gesehen, was es außer diesen Dingen gab. Zum Beispiel eine Tasse seitlich von hier und seitlich von dort und die Entfernung. Wenn man sie groß auf Zeichenpapier überträgt, scheint sie in weiter „Entfernung“ zu liegen. Dementsprechend liegt diese Seite „nah“. Innerhalb von 10 cm gibt es „Nähe“ und „Ferne“ und man kann sowohl die Weite eines Feldes malen, als auch ein nahes Gebäude. Aus diesem Grund ist die Tasse oder der Ort, an dem es Brot gibt, dasselbe wie ein in Dunst gehülltes Gebäude.

Dann sah ich Licht und Schatten. Der Tisch an einer Fensterseite wird immer im Gegenlicht erscheinen, wobei in der Umgebung von einer Tasse oder einer Feldflasche das Licht immer fließt. Die Entfernung des Lichtes, ähnelt der der weiten Ebene dort drüben. Die „Nähe“ ist ein Schatten geworden. Aus der vorderen Seite einer Papierrolle im Schatten strömt der Duft eines Bretterzaunes.

Aber auch bei gewöhnlichen Zeichnungen wie Eierschachteln oder Papierservietten ging es eigentlich um Nähe und Ferne und um Licht und Schatten. Nicht um die Feldflasche, sondern um das Licht, um das Schwarz, das im Licht scheint, um das Weiß, das zum Schatten geworden ist, um das sich langsam annähernde Grau. Es ging um den Raum zwischen und von den Dingen. Wenn ich eine Feldflasche vor einer Eierschachtel zeichnete, versuchte ich so zu denken, als würde zwischen ihnen ein Raum existieren und dass dieser Raum tatsächlich existiere. Manchmal legte ich den Bleistift hin und versuchte, Raum und Körper mit beiden Händen zu erfassen.

Während des Zeichnens ist Zeit vergangen. Als eine Zeichnung, die ich am Nachmittag anfing, ausgeführt war, war das Abendessen fertig und alle waren anwesend.

Unter dem weißen elektrischen Licht erinnerte ich mich an das Licht der Sonne am Tage. Und während ich mich erinnerte, zeichnete ich Nähe und Ferne, Licht und Schatten und Raum.

Es waren keine Feldflaschen oder Papierservietten. Es waren andere Gegenstände, die diese Formen hatten. Zum Schluss datierte ich die Arbeit mit einen Bleistift. 6.8.1974. Und dann noch die Zeit, die ich benötigte. Drei Stunden. Sechs Stunden. Anschließend meinen Namen. Und letztendlich ging ich zum Abendessen hinunter. Ich sah alle Gesichter und vernahm den Geruch von gegrilltem Fleisch. Dort waren die Zeiten, die jeder von uns verbrachte.


An einem Nachmittag im Vorbereitungskurs für die Akademie-Aufnahmeprüfung.

Benötigten Sie für dieses Bild drei Stunden? Als der lustlose Kursleiter, der hier seinen Job machte, die Arbeiten, die alle mitgebracht hatten, im schmucklosen Klassenzimmer nebeneinander an der Tafel aufhängte, fand ich den Titel „drei Stunden“ genau passend. Die Zeichnungen, für die sechs Stunden verwendet wurden, waren schon etwas dichter und man konnte die tiefen Spuren, die dort eingeschrieben waren, erkennen.

Die Zeit, die darauf festgelegt ist, kommt nie wieder zurück. Darum gehören diese Zeichnungen der konkreten Zeit an.  

Vor allem bestanden sie aus Papier und Bleistift. Das Papier, das Blei, das Hier, das Dort, das Licht, der Schatten, der Ort, der Raum und die Zeit. Gezeichnete Gegenstände. Eier, Fische, Teller, Backsteine, Taschentücher, Kakifrüchte und Äpfel. In den Dingen, die man dort drüben sah, konnte man alles finden, und diese Unendlichkeit erweiterte sich über den Akademismus hinaus.


Was sind diese Zeichnungen von Äpfeln, Broten und Feldflaschen eigentlich?


So viel ich zeichnete, so wenig verstand ich es. Nur zeichnete ich wie besessen weiter. Ein Blatt Papier war die Ewigkeit, die man in den Händen halten konnte. Ich konnte diese Ewigkeit einrollen und in einen Pappzylinder tun. Mir schien, als seien Malerei und Sehen das gleiche. Ich sah die Welt hinter den Dingen.


Die Striche des Bleistiftes wurden immer gebrochener und es bereitete sogar Schwierigkeiten, eine klare, gerade Linie zu zeichnen. Mir wurde gesagt, dass das Zeichnen von großen Gegenständen eine gute Übung sei.

Dann begann ich, mehrmals eine Fußgängerbrücke zu zeichnen. Als ich die Staffelei auf die unterste Stufe stellte und nach oben blickte, kamen mir die Stufen vor, als würden sie den Himmel zu erreichen. Vor Jahren, in einem Sommer, wurde die kleine Schwester meiner Freundin, noch Erstklässerin, von einem Lastwagen überfahren, da sie die breite Landstraße nicht schnell genug überqueren konnte. Einigen der Klassenkameraden, die bei der Bestattung unter sengender Hitze lange stehen blieben, wurde schwindelig. Danach wurde diese große Fußgängerbrücke mit ihrer langen Treppe gebaut.

Doch diese Fußgängerbrücke bestand nicht aus Quadern, Kugeln oder Pyramiden nach Cézannes Auffassung von Natur. Sie stand von Anfang an als eine Konstruktion mit gespreizten Beinen hoch über der breiten, staubigen Straße. Sie zu zeichnen bedeutete, zu wissen, wie sie konstruiert war und wie sie dem Gewicht, der Witterung und der Zeit standhalten sollte. Manchmal stiegen ein paar Passanten, die ich kannte, die Treppe, deren Farbe bereits abzublättern begann, hinunter.  

Die Zeichnung einer Fußgängerbrücke war, wie die Feldflasche oder das Trinkglas nicht besonders interessant. Das Interessante war, dass es beim Zeichnen immer größer wurde.

„Ferne“ liegt weiter weg als der Durchmesser einer Konservendose und „Nähe“ liegt an meinem Fuß, dessen ganzes Ausmaß ich nicht überblicken kann. Das war dann das, was als groß bezeichnet wurde.

Die Treppe an der gegenüberliegenden Seite zeichnete ich, als würde sie, von Dunst umgeben, verschwinden. Das erinnerte mich an die Gipsstatue Mars, die ich zeichnete, als ich länger im Zeichenraum blieb; ich zeichnete die räumliche Tiefe seiner Brustwand in die Ferne verschwindend auf Papier. Darüber dehnte sich dann der noch ferner liegende Himmel aus. Selbst wenn man die Treppe gen Himmel hinaufrennt, wird man ihn nicht erreichen können. Die Fußgängerbrücke, Mars, Eier, Essgeschirr, Fisch und Äpfel, und vor allem ich, sind von der vom Himmel ausströmenden Luft umhüllt. Ein Himmel von konkreter Unendlichkeit. Diese „Unendlichkeit“ auf dem Zeichenpapier, das ich von seiner Kartonunterlage trennte, existierte als Spur des dumpf leuchtenden Bleis weiter. Man nannte das dann „Naturstudie einer Fußgängerbrücke“ oder „Zeichnung einer Fußgängerbrücke“. Das waren die Zeiten der „zehn Stunden“, „Ferne“, „Nähe“, „Licht“ und „Schatten“. Konstruktionen und Strukturen, die jemand konzipiert hatte, bevor sie gezeichnet wurden. Es war nicht die „Natur“, aber ich konnte eine Naturstudie so betreiben, als sei es die „Natur“. Und dort war alles, wie in allen anderen Dingen, enthalten.  

Keinen dieser Gedanken, die ich bei den Bleistift- und Kohlezeichnungen hatte, kann ich vergessen. In dieser Zeit zeichnete ich sehr viel. Es gab etwas, das ich wissen wollte, und das war für mich wichtiger als technisch besser zeichnen zu können. Alles was ich wissen wollte, beinhaltete die Frage – Was ist das ? Während ich immer noch keine Antwort wusste, erhöhte sich meine Fähigkeit doch wesentlich. So schaffte ich die Aufnahmeprüfung der Akademie.  

Seitdem mache ich kaum mehr Zeichnungen, was ich so gerne mochte. Trotzdem können sich meine Augen und Hände gut daran erinnern. Wenn ich Gegenstände betrachte, die zerstreut auf meinem Schreibtisch liegen, denke ich unbewusst an das Hier und an das Drüben einer Wiese. Wenn ich den Text auf meinem Word-Processor tippe, liegt die Kaffeekanne drüben und der Aschenbecher neben mir. Zwischen der Kaffeekanne und dem Word-Processor sehe ich Pinsel, Farben und einen Tacker, die ich am Mittag dort liegen ließ, und an den schmutzigen Wänden sehe ich viele unfertige Arbeiten auf Holzplatten.

Ich betrachte den Raum ohne Ordnung, in dem sich diese Dinge befinden. In allen Dingen gibt es Nähe und Ferne, Licht und Schatten; auf Seiten der angelehnten Holzplatten wirft die Lampe dunkle Schatten, was ihre Dinglichkeit unübersehbar macht. Ein jedes Ding kann alles beinhalten. Wie eine Schiebetür, die man öffnet, um auf die andere Seite der Welt zu gelangen. Die Zeit vergeht gerade jetzt genau so, wie sie damals verging.

Obwohl Zeichnen eine Aufgabe bei der Aufnahmeprüfung ist, gibt es kaum Zeichenunterricht in der Akademie. Dafür gab es damals, in meiner Zeit, einen kinderleichten Kurs, der Grundeinführung hieß, und ich machte reihenweise Gestaltungsübungen, die mir nicht lagen. Ich habe den Eindruck, dass das Zeichnen in der Kunsterziehung, wie die Mathematik, als etwas nicht Naheliegendes abgetan wird.

***

Ich kann wohl sagen, dass ich Malerin bin. Jedenfalls konnte ich sagen, dass ich keine Bildhauerin bin. Obwohl mein Lebenslauf als Künstlerin noch sehr kurz ist, stelle ich mich gelegentlich als Künstlerin vor. Darauf werde ich ausnahmslos gefragt, welcher Kunstgattung ich als Künstlerin angehöre. Ich antworte dann meistens, dass ich Malerin sei. Daraufhin werde ich wieder gefragt, was für Bilder ich denn malen würde. Es ist auch nicht einfacher, wenn ich sage, dass ich kein Bild male. Die Leute mögen denken, ich verstünde ihre Frage nicht. Aber das sind die Dinge, die sich verbal und kurz nicht ausdrücken lassen. In solchem Augenblick möchte ich als Künstlerin schon bekannt sein. Es kann sein, dass es etwas gezwungen ist, mich als Malerin zu bezeichnen. Trotzdem tue ich es. Manchmal aus Not, das andere Mal aus Überzeugung. Die meisten Arbeiten von mir beinhalten den Raum, aber sie schließen den Raum nicht ein, wie es die Skulpturen, manchmal mit gewissen Richtungen, als Block und Volumen tun.

Die Leinwand war mir lange Jahre vertraut. Und diese Zeit, in der ich frische Leinwand kaufte, unter deren weißer Grundierung die rauhe, textile Struktur zu tasten war und ich mir Gedanken machte, was ich malen solle, machte Spaß.

Ein weißes Viereck ist etwas Schönes. Allein die Form hat eine beruhigende Wirkung und stimmt mich mild. Auch die fertigen Formate sind meinen Augen vertraut, sie lassen keine besondere Intention spüren, sondern scheinen eher still in der Welt zu versinken.

Wenn ich überhaupt über eine gewisse Technik verfügen sollte, dann heißt das, die Technik, immer zu fragen, was sie tatsächlich sei. Das ist aller Anfang des Malens, und die Fragen danach sind irgendwann entstanden, während ich zum wiederholten Male zeichnete. Wenn man nach dem Raum, der Entfernung und nach dem, was für immer bleibt zu fragen beginnt, schließt das die Ewigkeit ein. Wie man die Unendlichkeit, die man in die Hände nehmen kann, versucht, mitsamt ihrer eigenen Dicke aus der Wand hervorzuheben. Es gibt kein "Dasein" von Anfang an wie etwa bei einer Skulptur. Die Dicke formt sich durch die aufeinander fallenden Fragen. Sie versucht, sich aus eigener Kraft und Willen aus der Wand hervorzuheben und scheint mir behaupten zu wollen, dass sie ein Gegenstand sei. Wie einst ein Blatt Papier ein Gegenstand war.

Einige nennen meine Arbeiten Minimalismus, und es gibt andere, die sagen, diese Arbeiten seien von minimalistischen Stil. Es ist nicht so, dass ich mich nicht freue, denn es gibt diejenigen, die meine Arbeiten loben. Da es aber die Gattung als Minimalismus nicht geben kann, kommen solche Äußerungen von einer Art Fragestellung und deren zwangsläufige Schlussfolgerung. Man kann wohl sagen, dass sie zu einer konkreten Form des Denkens, wie wohl Kunst überhaupt, geworden sind.

Wenn man den Bereich der Kunst betritt, sollte man nicht nach einem Stil suchen. Besser wäre, wenn man betrachtet, welchen Weg diese Kunst nimmt und wie weit sie reichen will. Darum zähle ich die Minimalisten, die minimal sind, nicht zu den Gleichgesinnten. Die Arbeiten, die zwar zum Beispiel nicht expressiv sind, sich aber in Wahrheit an Gefühle anlehnen, und welche, die etwas symbolisieren wollen und andere, die, obwohl mit Qualitätsunterschied, dem Kunsthandwerk ähneln.

Ich könnte, über den Stil hinaus, viel mehr Gleichgesinnte finden, denke ich.

Diese Fußgängerbrücke war an sich eine Konstruktion, die, wie ein Kunstwerk, von Menschenhand gebaut war. Nicht ihre Erscheinung allein, sondern ihre Funktion als Überbrückung einer breiten Straße kommt hinzu. Durch diese Funktion verändert sich das Raumverhältnis. Jedoch ist die Fußgängerbrücke kein Kunstwerk. Auch wenn sie diese Funktion erfüllt, kann sie sich keineswegs als Kunst behaupten. Aber ich habe das Gefühl, als ob ich, selbst wenn ich sie ganz neu auffasse, die Bedeutung der Kunst aus dieser nicht besonders interessanten Fußgängerbrücke extrahieren würde. Mir scheint, dass das Interesse für die Brücke, die attraktive Form der Konstruktion und ihre lyrische Ausstrahlung für die Kunst keinerlei Bedeutung haben.  

Eine Fußgängerbrücke kann konstruiert werden, sie kann betreten werden, und sie kann gesehen werden. Erst wenn sie von Künstlern gezeichnet wird, verliert sie ihre eigene Funktion. Alle Nützlichkeiten scheinen als erster Sinn der Kunst aus der Oberfläche des Zeichenpapiers herauszutreten.

Ist die Bedeutung von Kunst nicht der erste Augenblick, in dem sie entsteht?

Diese Bedeutung der Kunst ist formlos.

Winter 1991 – Ich erhielt durch eine Ateliererweiterung einen eigenen, bescheidenden Arbeitsraum. Seit langer Zeit bekam ich wieder Lust, mich mit etwas zu befassen. Die vertrauten Vierecke kamen mir in den Sinn. In den Jahren zuvor hatte ich des öfteren Lust, Bilder zu malen. Ich stellte mir vor, auf großer Leinwand zu malen und schaffte mir eine Staffelei an. Die Staffelei, die mich Einiges kostete, blieb unbenutzt und wurde staubig. Zwischen 1979 und 1985 arbeitete ich wie gehetzt. Ich war mit dem Schaffen uninteressanter Arbeiten beschäftigt. Ich selbst wusste den Grund, aus dem ich in die Sackgasse geriet.

Ich konnte die weißen Vierecke nicht vergessen. Und die Freiheit, die ich dort hatte, und die Freude, die ich hatte, wenn meine Hand die mit dicker Ölfarbe beschichtete Oberfläche berührte, und wenn ich, umhüllt vom Geruch der Ölfarben, meine Finger damit beschmierte. Warum versuchen diese Kunsthochschulen uns überhaupt von dieser Lage zu trennen und uns durch die papiermachéartige Gegenwartskunst laufen zu lassen? Ich versuchte, mich an viele Dinge zu erinnern. Die Zeichnungen, die ich so gerne gemacht hatte, und was ich dabei betrachtet hatte, so wie das erlebte Glück, wenn sich die schöne Welt aus dem Weiß, Schwarz und Grau entwickelte, um sich in einem Stapel von Zeichenpapier zu häufen. Dieses Glück war es, das, wie ich glaubte, aus keiner anderen, welche auch immer, Technik kam. Heute, so wie damals, stand am Anfang immer das weiße Viereck.

Das, was ich damals sah, war nicht das Objekt, sondern die Bedeutung, die über das Objekt hinaus existierte. Es war nicht leicht zu erfassen. Aber es war da. Das Blatt einer Zeichnung war die Bestätigung dafür.

Ich erinnere mich noch, wie groß meine Freude einst war, wenn ich ein weißes Blatt Zeichenpapier auf das Zeichenbrett legte. Ich musste immer darauf achten, dass die Hände nicht schmutzig sind. Das Papier sollte sauber bleiben. Eine belanglose Zeichnung von einem Trinkglas, einem Handtuch und einem Backstein kann genau so wertvoll sein wie ein Meisterwerk und ist für mich sogar noch wertvoller. 

Als das Atelier erbaut wurde, lernte ich einen Tischler kennen.

Er hat mir für einen angemessenen Preis eine schöne, gezimmerte Tür angefertigt. Seine Arbeit war, anders als die eines Zimmermannes, sorgfältig. Bei ihm bestellte ich fünf Holzplatten in viereckiger Form in 5cm Dicke. Tagelang betrachtete ich diese beigefarbigen Vierecke, die ich an eine lange, schmale Wand hing. Ich musste sie zu Kunst machen, indem ich daran arbeitete. Wie damals aus der Wand hervorsteigend ..., wie damals dicht an der Unendlichkeit stehend..., wie damals sich annähernd..., wie damals an die Ewigkeit herantretend...

Weil ein Stück dieser Holzplatten 10.000 Yen kostete, und weil es mir zu schade war, etwas falsch zu machen, konnte ich damit lange nichts anfangen. Damals schaffte ich mir keine Leinwände mehr an. Ich hatte nur die viereckige Form im Kopf und diese war "das Unsichtbare". Ich machte mir Gedanken über Gedanken, und Monate über Monate vergingen. Die Holzplatten bekamen eine Staubschicht, die ich mit einem Lappen entfernen konnte.

Dann, irgendwann, habe ich sie weiß gestrichen. Dafür verwendete ich das Grundierungsmittel Gesso von Liquitex. Nur die Aussenkanten ließ ich ungestrichen.

Die anderen vier Holzplatten ließ ich, wie sie waren, ohne Anstrich. Ich arbeite immer noch nach dieser Methode. Von der ersten bis zur zweiten Arbeit vergeht eine lange Zeit. Ich musste mich darüber vergewissern, was ich geleistet hatte und ob es richtig gewesen war. Ebenso lag es an den hohen Herstellungskosten. Ich dachte lange darüber nach, da mir das nötige Selbstvertrauen fehlte. Die Frage war, ob es nicht vielleicht auch eine andere Methode gäbe, ob es als Kunst anspräche, ob es schön sei. Als ich, nach langem Nachdenken, sicher war, dass es sonst keine andere Form des Seins gibt, schuf ich das zweite Stück. Nachdem ich das zweite Stück erarbeitete, setzte sich alles in einer Reihe fort und erzeugte eine neue Bedeutung und einen neuen Raum. 

So entstand das erste Stück, was durch mein intensives Nachdenken über das Viereck zustande kam. Ein Viereck war Nichts und zugleich Unendlichkeit. Bis zur Herstellung des zweiten Stückes wischte ich die Holzplatten abermals mit dem Lappen und befreite sie von der Staubschicht. Ab diesem zweiten Stück verwendete ich weiße Wandfarbe. Ich war der Ansicht, dass es gut sei, wenn sich das Weiß der Arbeiten in der Wand auflöst.

Nach ewigem Schauen, und wenn ich mir dessen nicht überdrüssig war, habe ich endlich aufgeatmet und habe meine Arbeiten als Kunst bezeichnet. Nach erst einem Jahr war das der Augenblick, in dem ich wusste, dass ich wieder in der Lage war zu arbeiten, oder das ich es wenigstens versuchte. Ich dachte daran, sie später, irgendwann, zu veröffentlichen. Das war 1992 (Abbildung 1).

Wenn ich nur eine Arbeit an eine weiße Wand hänge, wird sie schweigen, obwohl sie sich bewegen zu wollen scheint. Die ungestrichenen Ränder, dort, wo man das unbehandelte Holz sieht, zeigen den Zustand der ursprünglichen Form. Der weiße Teil zeigt die Form, die sich verändert hat. Das Weiß ist frei und sublimiert sich unbeschränkt zu etwas Unbestimmten. Es wird von seinen Rändern begrenzt. Das Weiß kann das Nichts oder die Unendlichkeit sein, es entfaltet endlose Illusionen und lässt sie wieder verschwinden. Diese Ränder erinnern daran, dass es nichts anderes als ein Gegenstand ist. Wenn sich diese Ränder dann alleine, ohne den weißen Teil, aus der Wand hervorheben, sehen sie aus, als hätten sie einen Teil des Raumes herausgeschnitten. Ich bin nicht sicher, was es überhaupt ist, aber ich glaube, dass es in den Bereich der Kunst gehört.

Es sieht so aus, als deute das Bild auf eine Skulptur, oder als deute die Skulptur auf ein Bild. Denn genau so, wie sich ein Bild von der Wand abhebt, so kontrahiert sich die Skulptur von der Wand.

Sobald ich nur eine Arbeit an die Wand hänge, beginnt sie, den Raum zu beherrschen. Der Raum verwandelt sich in einen Raum mit eben dieser Arbeit. Und das stellt, bezüglich dieses Raumes, eine Frage. Ein Raum, in welcher Qualität auch immer, und auch wenn er nicht der ideale White Cube, ein viereckiger Raum mit weißen Wänden ist, ist nicht mehr das, was er war, sondern er wird nur zusammen mit dieser Arbeit zu einer Einheit.

Die in diesem Raum hingelegten Arbeiten, – ich möchte hier für das Hängen auch den Ausdruck Legen benutzen, denn hier geht es um den Raum, der dadurch neu entsteht – beginnen mit dem Raum, in dem sie sich befinden, ihre Bedeutungen auszutauschen. So wird das Hängen der Arbeiten genau so wichtig wie die Arbeiten selbst. Man muss das genau abwägen. Jede Art der Hängung wird in ihrer Eigenschaft Installation genannt und ist die Studie für das Hängen.

Für die Arbeiten erwarte ich selbstverständlich keine eitlen Effekte und die optische Wirkung als Inszenierung. Auch wenn ich mir eine Arbeit mit Schönheit und optischem Reichtum wünsche, so muss sie doch nur durch den Inhalt der vielschichtig belagerten Bedeutungen hervorgerufen werden.

Und ich denke, dass das als Installation bezeichnet werden kann.

Was mich seit längerer Zeit beschäftigt, ist die Tatsache, dass die Arbeiten in ihrer Mehrzahl interessanter sind als eine alleinstehende. Warum das so ist, kann ich nicht genau sagen. Wenn ich eine Arbeit gehängt habe, möchte ich sofort die nächste hängen, und eine dritte, eine vierte und so weiter. Sie setzten sich fort; sie sind manchmal ähnlich, sie erzeugen miteinander eine Balance, oder rufen eine Korrespondenz, bzw. Konfrontation hervor.

Bedeutet das, dass es jemandem heute nicht leicht gelingt, eine Arbeit, die für sich allein steht, in einem Teil zu präsentieren?

Was kann ein Einzelstück bedeuten, wenn es als selbstverständlich gelten würde, dass es alleine steht?

Gehört, vor einem Bild oder vor einer Skulptur zu stehen, sie ausgiebig zu genieβen und sich mit anderen hin und her auseinander zu setzen, möglicherweise bereits der Vergangenheit an? Und wenn die Arbeit aus mehreren bestehen sollte, entsteht dann nicht die weitere Frage nach dem idealen Ausstellungsraum, die ebenfalls nicht eindeutig zu beantworten ist? Schon oft habe ich lieblose Ausstellungen erlebt, bei denen die künstlerischen Arbeiten gar nicht zur Geltung kommen. Auf alle Fälle denke ich dann an den White Cube als einen idealen Raum, der jedoch gefährdet ist, alles zu Kunst werden zu lassen. Welche Arbeit man auch immer hängt, ein solcher Raum scheint gelegentlich sogar als Garantie zu funktionieren. Aber wenn ich mir meine eigene Arbeit in einer gelungenen Situation vorstelle, wünsche ich mir natürlich, sie könne, über die räumliche Situation hinaus, eine stärkere Kraft haben.

Natürlich würde ich den Raum, wenn ich könnte, selbst auswählen. Doch solche Kommentare wie „die Ausstellung passe an den Ort wie angegossen“, machen mich unsicher, und über dieses Risiko bin ich mir bewusst. Eigentlich sollte man über so eine Aussage nicht verbittert, sondern dankbar sein, und trotzdem überkommt mich im Grunde meines Herzens eine gewisse Traurigkeit.

Ein Ort, der für eine Arbeit so gut wie maßgeschneidert ist, macht die Arbeit auch nicht gerade glücklich.

Jede Form des Ausstellens ist eine Installation, die unsere Gedanken klärt. Demnach also erweisen die Arbeiten dem Raum an sich keinen Dienst. Meiner Auffassung nach kreiert und bestimmt die Arbeit den Raum.

Wäre es aber so, würden dann die Arbeiten, die in alltäglichen Räumen, oder an als nicht ideal zu bezeichnenden Orten hängen, nicht als künstlerische Arbeiten gelten?

Wenn die Arbeiten dadurch etwas verlieren würden, fragt man, was es denn sei. Sind die Arbeiten an sich Arbeiten, oder nicht? Gehören die aufeinander folgenden Gedanken, die von einem Stück zu einem anderen entstehen, nicht auch zu den Arbeiten? Und gehört der Raum, der durch die Arbeiten hervorgerufen wird, nicht auch zu einer Arbeit?

Was bedeutet das dann? Durch die hysterischen, eskalierenden Diskussionen über die idealen Bedingungen einer Ausstellung riskiert man, dass die eigentliche Bedeutung von Kunst verloren geht. Kunst ist weder eine Inszenierung, noch ein Display. Alle Arten des Ausstellens sind Installationen, die den Gedanken dienen. Sollte man nicht beim Ausstellen der Arbeit einen daraus entstehenden Reichtum erwarten?

Erst wenn man es selbst versucht, erfährt man, wie schwierig die Realisation einer idealen Installation ist. Auch für den Künstler kann es nicht eindeutig klar sein, ob es so in Ordnung sei. Der Ort, an dem sich die Arbeiten befinden, ist dem Künstler, oder der Künstlerin, ein unbekannter Ort. Ich möchte aber Folgendes zu äußern wagen: Eine ideal realisierte Installation bzw. Ausstellung ist immer wertvoll genug, irgendwann eine angemessene Kritik zu erhalten. Dafür ist Zeit notwendig. Es können zehn Tage, zehn Jahre, oder auch hundert Jahre sein. Es ist die Zeit, in der man sich Gedanken darüber macht, was hier aufgebaut wurde. Die Installation soll von denen, die nichts verstehen, nicht herzlos abgetan werden. Kritiken, im eigentlichen Sinne des Wortes, ermöglichen, wenn sie von lebendigen Worten geführt werden, ohne Zweifel, den nächsten Schritt zum Öffnen der Tür. Genau das ist der Wert der Avantgarde, die man als wichtigste Form verteidigen muss und die sich in der nächsten Generation fortsetzen wird. Das ist ungeheuer schwierig. Ich denke, dass das, was man heute als gute Installation und Ausstellung bezeichnet, diese Bedeutung haben soll.  

Als meine Gedanken diesen Punkt erreichten, erschwerten sie mein Herz. In einem Zeitungsausschnitt, der vor mir liegt, schreibt die Schriftstellerin Minae Mizumura: „Schreiben heißt weiter schreiben, wobei ich nicht wissen kann, worüber ich schreiben werde. Hierbei ist das alleine die Grundbedingung des Schreibens.“  

Ich dachte an meine Reise nach The Lightning Field, die ich ein Jahr zuvor unternahm. Ich denke zwar nicht, dass die Installation allein das ultimativste Ausdrucksmittel ist, aber ich bewundere den Mut und das Selbstvertrauen von Walter De Maria, der eine Wüste in einen Ort verwandelte, an dem er seine Installation verwirklichen konnte.

Was wollen wir überhaupt durch die Kunst, ein machtloses Etwas, sehen und tun? Die Kunst an sich tut wohl gar nichts. Etwas, von dem man erzählen kann, oder etwas, das eine Wirkung auf die Gesellschaft ausübt, hat eigentlich nichts mit Kunst zu tun. Es ist sozusagen ein streunendes Nachbarskind, das durch Gesellschaftsprobleme, Politik und Sex erzeugt wird. Mit unschuldigem Gesicht sitzt es irgendwann am gemeinsamen Tisch und nimmt an der Mahlzeit aus Farben, Formen und Material teil. Zuweilen bin ich angetan und bekomme Lust, mich mit dem ein oder anderen anzufreunden. Doch letztendlich geht jeder, sich gegenseitig ermunternd, in seine eigene Richtung. Ich kann nichts anderes, als mich von dieser Farbigkeit zu verabschieden und meinen ursprünglichen Weg zu gehen.

Das Kind der Kunst, das durch die Kunst geboren wurde, hat kein Mittel, das besonderes Aufsehen erregt. Selbst die Gestaltungsidee, als letztes Mittel, ist dort schon längst verblasst; sogar Schönheit und gekonnte Kompositionen geraten in Verlegenheit, da sie nicht mehr gepriesen werden. Sie hegen sich in der Leidenschaft, völlig nutzlos zu sein und suchen ein Mittel, um sich zu sublimieren.

Wer kann sich dann als Künstler bezeichnen? Bin ich eine Künstlerin? Ob Künstlerin oder nicht, ich bekomme Lust zu sagen, meine Kunst sei aus der Kunst hervorgegangen. Das war niemals übertrieben. Das haben mich billiges Zeichenpapier und Bleistifte, die viel eloquenter als ein großes Ölgemälde sind, gelehrt.

Deswegen denke ich, ich sei Malerin.

Bis jetzt habe ich Installationen auf verschiedene Art und Weise ausprobiert. Ich möchte hier einige aus meiner Erinnerung beschreiben. Alle Installationen waren ein Ergebnis einer qualvollen Überlegung und Zögerung, und nichts davon war festgelegt. Das möchte ich erwähnt haben. Alle Arbeiten dieser Installationen könnten in anderer Art und Weise ausgestellt werden.  

Als ich zwei Arbeiten in einer Ecke hängte, schienen sie, als würden sie eine Erklärung ohne Worte bedeuten (Abbildung 2).

Sie stehen still, und obwohl sie sich gegenseitig anschauen, blicken sie auch auf mich. Wenn ich nun meinen Standpunkt ein wenig ändere, stehe ich dem Bild frontal gegenüber, wobei das zweite Bild seinen Blick seitlich verschiebt.

Einmal habe ich dieselbe Serie in einem etwas größeren Format auf den Boden gelegt.  

Da ich diese Arbeiten mehr für Objekte als für Bilder hielt, fiel es mir nicht leicht, sie an die Wand zu hängen. Auf diese Arbeiten musste man bei dieser Installation gezwungenermaßen herunterschauen, und mir gelang keine klare Präsentation (Abbildung 3).

In einem anderen Fall hänge ich drei Arbeiten an die Wand. Das Weiß der frontal gerichteten Seite dehnt sich immer mehr aus und es entsteht der Eindruck, als fände an den Seiten eine sanfte Überbrückung statt.

Ich werde verführt und möchte vier oder fünf Stücke, und, oder sogar mehr aneinander reihen.

Diese ebene Aneinanderreihung lässt so etwas wie eine Landschaft entstehen.

Um das zu sehen, muss ich laufen und zurückkehren, und während ich das tue, spüre ich, wie sich die Luft, die die Arbeiten umschließt, verändert.

Ein Impuls treibt mich an. Ich möchte, dass mich die Arbeiten umringen. Ich male ein Bild, in dem ich stehe. Es ist, als würde ein neuer, eingefasster Raum entstehen (Abbildung 4).

Zur Zeit hängen in meinem Atelier das weiße Stück, das größere, das ich mit Gesso angestrichen hatte, und RED/Nr.2 aus dem Jahr 1994 an der Ecke der Wand. Wenn ich die beiden so zusammen betrachte, klingen die Konturen des weißen Stückes und der Rahmen des RED/Nr.2 miteinander. Sie sehen wie Vorder- und Rückseite, oder wie ein Paar aus (Abbildung 5).

Bis jetzt besteht diese Serie aus den drei Farben, Rot, Gelb und Weiß. Ich wählte klare und grundlegende Farben.

Den Rahmen habe ich selbst entworfen und von einem Tischler anfertigen lassen. Ich wollte vermeiden, dass diese Papierarbeit wie ein Bild an der Wand hängt oder mit Reißbrettnadeln befestigt wird und so seine Bedeutung verliert. Mithilfe dieses Rahmens wird sie per se präsentiert.

Zwar unterstützt der Rahmen die Arbeit, aber er kann selbst keine Arbeit sein. Das Papier kann abgenommen und allein ausgestellt werden, der Rahmen nicht. Er wird nötig sein, um die Form der eigentlichen Existenz anzudeuten, wenn ich die Papierarbeit an die Wand hänge. Es ist nicht möglich, das Papierstück einfach an der Wand zu befestigen. Dieser Rahmen hat eine kleine Lücke und ist durchlässig. Wie es ein normaler Rahmen bezweckt, dient dieser Rahmen nicht zum Schutz der Arbeit. Andererseits ist diese Arbeit ohne ihren Rahmen undenkbar. Wie es dem weißen Stück innewohnt, scheint es sich zu verändern und zu vermehren, indem sie RED gegenüber steht.

Wenn ich die Farbe auftrage, habe ich das Gefühl, als male ich ein Bild. Ich verwende Wasserfarben. Das sind grobkörnige Plakatfarben. Sie sind leicht zu handhaben, preiswert und vor allem im Wasser, dem elementarsten Material, löslich und verlieren ihre Farbenpracht nach dem Trocknen nicht.

Auch die Dinglichkeit des Papiers muss in einen für sich stehenden „Gegenstand“ umgewandelt werden. Ich versuche schon so zu streichen, wie es dann werden soll. Es ist flach und besteht aus einem Bogen Papier. Obwohl es in dieser Größe ausgeschnitten worden ist, scheint es so, als wäre es von jemandem mit der Schere aus einer unendlich weiten Ebene, einem Taschenspiel ähnlich, herausgeschnitten worden.

Ich kann mich nicht nach der Form richten. Das Stück könnte auch, ähnlich der Tranche einer weiten Ebene, ein Gemälde sein, obwohl es sich nicht nach der Eigenschaft eines Gemäldes richtet.

Manchmal färbe ich das Stück mit Malöl. Ich verwende Leinöl. Der Geruch dieses Öles macht mich irgendwie glücklich. Dann fühle ich mich zu Hause. Wenn ich in ein Geschäft für Malerbedarf gehe, kaufe ich groβe Mengen von nur diesem Öl und kann mir am Ende nichts Anderes leisten. Das ist ein wenig trist. Ich fühle mich ertappt und frage mich, ob ich nicht professionell genug bin. Doch gegen solche Vorliebe kann man nichts tun.

Ich trage Wasser, Öl und die grundlegenden Farben auf das Papier. Man kann sagen, dass das alle Substanzen sind. Zwar bin ich nicht ganz sicher über meine Aussage, die Farbe sei auch Materie, aber andererseits glaube ich, dass ohne die Grundfarben keine anderen Farben entstehen.

Wenn das Wasser trocknet, bleibt die Farbe; das Öl dringt durch und bildet eine Maserung auf der Farbe. Das Papier saugt das Öl, wird pergamentartig halbtransparent und wird im Laufe der Zeit vergilben. Eine Veränderung durch die verstrichene Zeit.

Das ist nichts Außergewöhnliches.

Das sind die Dinge, die da sind. Sie besitzen keine bestimmten Richtungen. Sie erweitern sich, als horizontale Ebene, über das Endliche hinaus. Die unendliche Weite dort drüben gleicht wohl der Ewigkeit. Dieser Gedanke schnürt mir das Herz. Sie ist zu schön, um erreicht werden zu können.

Einer Papierarbeit eine Richtung zu geben ist sehr schwierig. Selbst eine bestimmte Richtung verändert eine Arbeit zu einer Komposition mit Bedeutung. Das heißt, dass sie sich zu einem komponierten Stück umwandelt. Sie wird nicht mehr das sein, was sie ist. Trotzdem versuche ich, sie anzustreichen. Wenn ich die Farbe auftrage, muss der Pinsel horizontal gerichtet sein, da das Papier auch horizontal liegt. Es wird nichts anderes werden, und das ist eigentlich alles.

Es ist ein Gegenstand, den man in einen Pappzylinder tun und verschicken kann.

Ein in Australien lebender Bekannter bat mich eines Tages, kleine Arbeiten für eine Ausstellung zu schicken. Ich habe dann zwei Blätter aus dem Rahmen genommen und in einem Pappzylinder verschickt.

Zu den Arbeiten legte ich einen Brief mit der sorgfältigen Anweisung, sie nicht mit Reißzwecken an der Wand zu befestigen, sondern dass sie entweder auf den Boden oder horizontal auf einen Sockel gelegt werden müssen. Bald darauf schickte er mir die Fotos von den Arbeiten auf einer Holzplatte, die auf einem Holzboden platziert war. Meine Arbeiten, auf einer braunen, rauen Holzplatte liegend, sahen sehr zufrieden aus (Abbildung 6).

Einmal stellte ich achtzehn Arbeiten aus den drei Farben Rot, Weiß und Gelb in einem großen Ausstellungsraum zusammen (Abbildung 7).

Durch diese Mehrzahl der Arbeiten entstand in der Anreihung eine ganz andere Bedeutung. Die Augen folgten den Bildern mehr als dem einzelnen Bild im Rahmen, da die brillant kolorierte Serie einem sofort ins Auge sprang. Die Länge der Wände erzeugte die Flucht.

Die weißen Bilder hingen hoch, die roten Bilder hingen auf Augenhöhe. Die gelben Arbeiten hingen so tief, als würden sie zu uns hochschauen. Der Boden der Halle war solid, der Bau war alt und würdig: Es war ein schöner Ausstellungsraum. Mein lang ersehnter Wunsch ging in dieser Halle in Erfüllung. Da ich seit langem wieder ausstellte, zeigte ich vielleicht zu viele Arbeiten und insgesamt wurde das Ausstellungskonzept verschwommen, da der weiträumige Raum nicht genug zur Geltung kam.

Von dieser Ausstellung ist mir noch das gesamte Bild der Installation, jedoch keine einzelnen Arbeiten, in Erinnerung. Die Arbeiten wurden Elemente der Raumkomposition. Alle Fotografien von der Ausstellung, die der Fotograf Masayuki Hayashi aufnahm, zeigten die Gesamtausstellung in diesem Raum, die einzelnen Arbeiten aber zeigten sie nicht. Er fotografierte aus den verschiedenen Höhen, manchmal sogar auf dem Boden kriechend. Dabei wurde er nie müde, sich aktiv in diesen Raum einzulassen. Ich überließ ihm die Aufnahmen. Da ich seine Fotografien von diesem Raum sehr mochte, betrachtete ich den Raum, der durch seine Kamera und seine Objektive über eine Aufzeichnung hinaus zu einem anderen Raum geworden ist, mit großen Genuss.

Und das gehörte auch zu der magischen Kraft, die durch das Ausstellen zustande kam.

Ich erinnere mich noch daran, wie ich die kleineren Arbeiten im großen Ganzen platzierte.

Die Stücke waren klein und unscheinbar. Ich ließ Quadrate von 30 cm mit Rahmen und von 5 cm Höhe anfertigen. Die Höhe beträgt schon immer 5 cm. Es gab keinen wirklichen Grund, aber ich dachte, dass der Rahmen in dieser ungefähren Höhe fast unauffällig aus der Wand hervorsteht. Wenn er höher ist, wird er wie eine Skulptur, und wenn er niedriger ist, wie eine Fläche aussehen.

Ich fertigte ein Paar in roter Farbe und ein anderes Paar, das gestreift war, an. Aus einem Teil der Arbeit erhob sich die Farbe. Den anderen Teil malte ich direkt mit Wasserfarbe und Öl auf das Holz, so dass es aussah, als sei er in der eigenen Farbe.

Wenn die kleinen Arbeiten an der Wand hängen, wiederholt der Blick die Kondensation und Diffusion abwechselnd, und man spürt die volle Konzentration dieser Zusammensetzung. Ich konnte das spüren, wenn ich auf die kleineren Arbeiten schaute.

Einen Teil von einem Paar hängte ich höher an die Wand, und um das zu sehen, musste man den Blick nach oben richten. Wenn man aber von diesem Standpunkt wieder nach unten sah, sollte man den anderen Teil auf dem Boden an seinem Fuß finden. Der Teil des anderen Paares hing so tief, das der Betrachter sich beugen musste. Das andere Stück legte ich auf den Boden in der Nähe. Man konnte auch einzeln hängende Arbeiten sehen, aber mir kam es bei dieser Installation darauf an, dass die Objekte zusammen und miteinander als Paare erscheinen (Abbildung 8).

Später einmal stellte ich ein einziges Stück an einem anderen Ort aus. Die Erscheinung von diesem Stück war dann ganz anderes. Bei einer anderen Gelegenheit sah ich ein Stück auf einen Sockel gelegt. Das Stück lag einsam und still, und es schien, als ob es gerade aufstehen wolle, um seinen Partner zu finden.

Ich hängte ein Stück RED und schliff einen Teil der Wand gegenüber dieser Ecke mit der Schleifmaschine. Hier durfte ich alles machen. Der Raum befand sich in einem Gebäude, das bald abgerissen werden sollte. Der geschliffene Teil der Wand war genau so groß wie die Arbeit auf dem Papier. Das Bild auf dem Papier übertrug ich mit Wasserfarbe nach dem Punktsymmetrie-System auf die Wand. Darauf strich ich Öl.

Ich weiß nicht, ob RED auf der Wand und RED auf dem Papier identisch sind. Auf alle Fälle sind sie ähnlich. Während ich die beiden Stücke aus derselben Entfernung verglich, war es draußen bereits dämmerig. Das Schleifen der Wand war schön. Auch den Staub abzubekommen, machte Spaß. Hier versammelten sich seit einem Jahr viele Künstler und die, die welche werden wollten und machten das ganze Gebäude nach Herzenslust zu ihren Ateliers und Ausstellungsräumen. Das Gebäude, in seinem chaotischen Zustand aus Material, Müll und künstlerischen Arbeiten, sollte einen Monat später abgerissen werden (Abbildung 9).

Wenn sich die sehr ähnlichen Arbeiten gegenüberstehen – und während ich mich lange mit dem Vergleich der beiden Arbeiten beschäftige – scheint es, als hätten sie nichts Absolutes. Was mir richtig scheint, ist manchmal dies und manchmal das. Diese zwei Teile ähneln den paarbildenden Arbeiten davor. Sie sind genau so unfassbar und ähneln sich selbst, doch davon versteht man nichts. So auch, wenn ein frisches Rot ins Auge springt. 

Bald darauf ging ich nach Amerika.

Ich ging mit völlig leeren Händen. Trotzdem musste ich dort etwas schaffen. Ich ging dort hin, um zu arbeiten.

Mir war klar, dass ich da, wo kein Tischler arbeitet, die Exaktheit der Rahmen und feiner Platten nicht erreichen würde. Dafür habe ich größere Holzplatten aus gröberem Lauan-Holz anfertigen lassen. Der Zimmermann Henry war ein herzensguter Mensch. Auf diese Platten habe ich Papier, das mir geliefert wurde, nass aufgezogen. Das war das von mir bevorzugte, vertraute weiße Viereck, das seinen Ansatz so oft zeigte.

Offen gesagt kommt es mir vor, als sei dieses weiße Viereck von Natur aus schön genug, ohne dass ich daran arbeiten müsste. Mein Herz ist erfüllt mit der Ahnung von dem, was nun anfangen wird. Ich möchte sogar glauben, dass dieses Vorgefühl noch schöner ist als das, was ich dann beginnen werde. Das mag ein wenig romantisch klingen und ich geniere mich etwas, aber dennoch ist es mein ehrliches Gefühl. 

In dem weißen Viereck gibt es nichts außer der Leere. Wie es in einem leeren Raum nichts gibt, gibt es in dem weißen Viereck auch nichts. Die Oberfläche dieses festeren Aquarellpapiers saugt das Licht sacht auf und strahlt so schön zurück, dass ich mich wundere, warum ich darauf noch zu malen beabsichtige. Die Präsenz des Papiers wird hierbei schwinden, ich habe das Gefühl, als ob ich hineingehen könnte. 

Das Aufziehen des nassen Papiers war mit der großen, schweren Platte etwas umständlich, aber als es fertig war, war die Mühe vergessen.

Darauf zu malen, – ich nenne es Malen und ich glaube, dass ich das sagen kann – geht nur ganz vorsichtig. Wenn ich ungeschickt bin, wird es nicht mehr so sein, wie es war. Die weite Oberfläche ist so weit wie die Ferne, und die weiße Oberfläche ist so weiß wie das Weiß selbst. Die Tiefe der Holzplatte zeigt den Beweis für ihre Präsenz. Ich weiß selbst nicht mehr, ob ich ein überzeugter Romantiker bin, oder ob ich, mehr oder weniger, ein Logiker bin. Während ich male, stelle ich mir vor, dass sich die Malfläche weit und weiß über dem Horizont auflöst. Das ist ein schöner Augenblick für mich.

Ähnliche Gedanken hatte ich auch, als ich mit den Farben Rot, Weiß und Gelb arbeitete. Damals schien mir das Papier ein Bogen zu sein. Das nass aufgezogene Papier auf der Platte hatte eine Form und war entschieden anders als damals. Ich musste hier die Malerei oder etwas ähnliches mit einer Form präsentieren.

Der Plan der Installation spukte in meinem Kopf herum. An die Wand hängen. Ging nicht. Den Boden streichen und das Stück auf den Boden legen. Ging nicht. Das wurde abgelehnt, denn die Farbe hätte in das untere Stockwerk sickern können. Ich kann die Stücke halb an die Wand anlehnen und halb hinlegen. Ging nicht ... keine glänzende Idee, und alles unentschlossen.

Noch heute kann ich nicht sagen, ob die gemalten Bilder gut waren. Meistens bin ich mit der Arbeit schnell fertig und betrachte sie für eine Weile. Ob das Bild meinem eigenen Betrachten standhält, ist, wenn auch vage, ein Beurteilungskriterium. 

Ich bin mir zwar nicht sicher, ob dieses Bild Malerei ist, oder nicht, aber ich kann wenigstens sagen, es sei keine Skulptur. Dennoch hatte ich das Gefühl, dass die Hängung an der Wand etwas Unnatürliches mit sich brachte, und letztendlich gelangte ich zu dem Gedanken, die Arbeiten horizontal auf Kästen zu platzieren. Wenn ich daran zurückdenke, dass während des Arbeitens alles horizontal lag, glaube ich, dass dieser horizontale Zustand eine natürliche Art ist. Die Höhe der Kästen entspricht ungefähr der Höhe des Arbeitstisches. Und die Aufgabe der Kästen ist die gleiche wie die der Rahmen. Aus irgendeinem Grund kann ich aber dieses Mal die Malerei oder ähnliches nicht von dem Kasten trennen. Wenn ich die Größe der Arbeit nennen sollte, gäbe ich den Umfang mitsamt seiner Höhe an. Erst dadurch, dass ich sie auf diese Weise hinlege, wird sie zu dem werden, was sie ist. Ein Bogen Papier bleibt das Papier, aber das Papier auf der Holzplatte wird zu einem Gegenstand.

Als ich diesen Kasten mit Ölbeize behandelte, was bis Mitternacht dauerte, und die Arbeit darauf legte, überkam mich ein stilles Glücksgefühl. Jetzt hat sie ihren Platz gefunden.

Die horizontale Platzierung schien der Oberfläche des Stückes natürlich zu sein, denn sie suchte die Farbe Weiß und eine Erweiterung. Wenn es hier einen Tischler gegeben hätte, wäre diese Arbeit wahrscheinlich nicht zustande gekommen.  

Damals, soweit ich mich erinnere, betraf das vielleicht die siebziger Jahre. Es gab lebhafte Diskussionen darüber, ob ein Werk nun als Malerei, oder als Skulptur bezeichnet werden solle. In dieser Zeit war ich begeistert von den konzeptionellen Arbeiten und wollte Worte und Image in meine Arbeit einbeziehen. Ich kann den ganzen Diskussionsinhalt nicht genau benennen, aber mir schien, dass über combined painting und shaped canvas geredet wurde. Zurückblickend kann ich wohl sagen, dass diese Art des Arbeitens die arglose Vereinigung der Form von Bild und Plastik war. Während sie zusammen eine Gestalt annehmen, erweckt diese Diskussion an sich kein großes Interesse. Malerei bedeutet die Art zu sehen und zugleich gegenständlich zu denken. Mit dem eigentlich wichtigeren Wesen der Malerei setzt man sich allzu wenig auseinander. Bin ich die einzige, die so denkt? (Was jedoch auch an meiner mangelhaften Kenntnis liegen kann.) Diese Frage kann wohl genauso bei plastischen Arbeiten vorkommen. Es scheint in dieser Hinsicht keine Grenze zwischen Malerei und Skulptur zu geben (Abbildung 10).

In Amerika schuf ich, mit Mühe, gerade noch vier Arbeiten. Ein Jahr und acht Monate mussten danach vergangen sein, damit ich die Anzahl meiner Arbeiten auf acht erhöhte und sie ausstellte. Was den Unterschied zwischen vier und acht Arbeiten ausmacht, kann ich immer noch nicht sagen. Die Tatsache, dass nur eine Arbeit allein nicht funktioniert, ist mir klar. Es geht mit zehn, oder aber auch mit drei Arbeiten.  

Wobei acht miteinander korrespondierende Stücke eine erweiterndere Wirkung hätten als nur vier Arbeiten. Ich hatte die Idee, die Arbeiten der hinteren Reihen mit Öl zu behandeln. Ich weiß heute auch nicht, warum ich mich dafür entschied. Ich glaube, ich fand es damals besser.

In dieser Serie sind noch viele Fragen offen. Wie ich schon oft erwähnte, gibt es auch in den anderen Serien eigentlich kaum etwas, das ich verstanden hätte. Das alles bleibt die weitere Aufgabe für mich. Es überlagern sich viele Fragen, nicht nur in dieser Serie. Was mich jedoch am meisten wundert, ist die Tatsache, dass sie nur so aussehen, wie sie aussehen und nichts anderes sein könnten. Weil sie ruhig auf den Kästen liegen, haben sie mit den Wänden nichts zu tun. Elegante Skulpturen. Diese Arbeit wurde in Amerika sehr gelobt und als handsome bezeichnet. Das kann auf eine „gelungene“ Arbeit weisen. Mein Blick streift zerstreut ihre weiten Oberflächen, und wenn ich die Arbeiten betrachte, wird mein Blick unkonzentriert, und ich denke, sie seien die schönsten Kinder, die ich geschaffen habe. Weil ich schöne Dinge mag, möchte ich sie liebevoll großziehen. Und irgendwann, wenn ich Muße habe, möchte ich gerne in ihr Inneres hineinschauen, um zu wissen, ob in ihnen etwas Verborgenes liegt. Was macht diese Kinder überhaupt so schön? Ob aus den Kästen so viele Reichtümer entspringen (Abbildung 11)?

Als Hommage an sie habe ich dann auch die Kästen mit den tiefer gesetzten Oberflächen gebaut. Es gab große, sehr kleine und ein paar andere Arbeiten als eine Art Fingerübung, in einem viel kleinerem Maß. Ich schaue sie manchmal gerne an (Abbildung 12).

Epilog – ab jetzt

Ich plane eine Ausstellung von einer ungefähr zweimonatigen Dauer. Die Installation wird sich jede Woche verändern. Das bedeutet, dass ich nicht nur die ausgestellten Arbeiten auswechsele. Ich werde versuchen, die Art der Installation zu verändern und kann dann vielleicht nur einen Teil mit anderen Arbeiten austauschen. So etwas gehört bei Sammlern in ihren eigenen Sammlungen und Kuratoren in ihren Ausstellungsräumen schon immer auf die Tagesordnung.

Aber es kann sein, dass einen anderen Sinn bekommt, wenn ich für mich selbst ausstelle.

Das Beste wäre, wenn mir ein White Cube zur Verfügung stünde. Da ich aber über einen White-Cube-Raum nicht zwei Monate lang verfügen kann, versuche ich, meine eigene Wohnung so gut wie möglich danach auszurichten. Es ist ein alternativer Ausstellungsraum aus eigener Herstellung.

Der White Cube ist ein zu einem Raum gewordener Quader. Ich möchte ausprobieren, ob ich die Installation als Studie betreiben kann. Für diesen Zweck ist der White Cube am besten geeignet. Natürlich befinden sich Fenster, Regale und Tische in meiner Wohnung. Dagegen kann ich nichts machen. Trotzdem werde ich meinen Plan durchführen.

Die Ausstellung kann an zwei Tagen am Wochenenden geöffnet sein und acht Wochen andauern. Wenn es Besucher gäbe, die die Ausstellung jede Woche für alle acht Wochen besuchen würden, wäre ich hocherfreut.

Wenn mir irgendwann ein großer Raum zur Verfügung steht, werde ich meine Arbeiten nicht abwechselnd, sondern alle auf ein Mal ausstellen. Vielleicht versuche ich das einmal nächstes Jahr in Amerika zu realisieren .

Ich habe meine eigenen Gedanken niedergeschrieben. Wenn es eine theoretische Ausführung geworden ist, ist es gut, aber ich werde sie wohl noch einmal überarbeiten. Kunst ist Kunst. Sie ist weder Philosophie noch Theorie. Sie ist aber eine Art Erfassung der Welt, glaube ich. Sie scheint etwas Unerschöpfliches zu beinhalten, was sich nie genug erläutern lässt. Ich wollte einmal aufzeichnen, wie ich bis jetzt gearbeitet habe und weiter arbeiten möchte. Beim Durchlesen ist es mir etwas peinlich, doch ich glaube, dieser Versuch des Schreibens hat Sinn.

Möge mein Wunsch, eine wundervollere Arbeit als die der Bilder von Äpfeln, einem Handtuch und einer Wasserflasche zu schaffen, eines Tages in Erfüllung gehen.


Wissenschaftsberichte, Universität Kyoto Zokei Kunst und Design, September 1997

Übersetzung Nanae Suzuki

Kumiko Kurachi | Notizen über meine Arbeiten | Kyoto | 1997

© 2019 Kumiko Kurachi        Impressum     Datenschutz